Gedanken
Ruth Gogoll und andere Autorinnen schreiben über Themen, die sie bewegen.

Du bist echt witzig, Hanna. Da überwinde ich mich mit großer Anstrengung seit vielen Jahren zum Sport, und dann stellst du das ganze Prinzip in Frage. 😁 Aber in gewisser Weise hast Du natürlich durchaus recht. Sport ist tatsächlich nicht für Menschen gemacht, genauso wenig wie für Tiere, oder hat irgendjemand schon mal eine Kuh joggen sehen? Wenn Tiere sich an die Stirn fassen könnten, würden sie das bei jedem Jogger im Wald sicherlich tun, weil sie das unnatürlich finden.

Sport ist eine ziemlich neuzeitliche Erfindung. Noch in der Mitte des letzten Jahrhunderts hätten die meisten Leute wahrscheinlich über all die Anstrengungen, die wir heute unternehmen, über Fitnessstudios und Onlinekurse und Personal Trainer und Ähnliches gelacht. So was machten nur einige Verrückte. Durchschnittsbürger fanden das albern und überflüssig.

Allerdings hatten damals auch noch viel mehr Menschen einen Job, bei dem sie sich schon ganz von selbst bewegen mussten, als heute. Und wenn es nur der Weg zu Fuß oder auf dem Fahrrad zur Arbeit oder zur Schule, Lehre, Uni war. Sport war etwas für Leute, die reich waren und nichts zu tun hatten. Deshalb konnten sie sich mit solchen sinnlosen Freizeitbeschäftigungen vergnügen. Weil sie überhaupt Freizeit hatten, was für viele Leute, die für ihr Geld hart arbeiten mussten, nicht der Fall war. Freizeit ist auch so ein neuzeitlicher Begriff, den frühere Generationen gar nicht verstanden hätten.

Und wenn man dann schon so hart gearbeitet hatte, hatte man sicher keine Lust mehr, auch noch Sport zu machen. Wozu auch? Die meisten Leute damals waren fit und schlank. Nur reiche Leute konnten es sich leisten, dicker zu sein, und die meisten Menschen waren nicht reich.

Ich finde es immer wieder interessant, wenn ich die alten Agatha-Christie-Krimis lese, die so zwischen den Zwanziger- und Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts spielen. Da gibt es viele Leute, die Tennis spielen. Aber das ist kein Beruf. Das sind alles reiche junge Leute, die sich langweilen und versuchen, ihre Zeit mit irgendetwas totzuschlagen, weil sie ja nicht arbeiten müssen.

Und ich erinnere mich auch noch an die Serie Downton Abbey, in der die alte Grafenwitwe, gespielt von der herrlichen Maggie Smith, in einer Szene fragt: „Wochenende? Was ist denn ein Wochenende?“

Weil das eine Art des Denkens war, die nur von arbeitenden Menschen kommen konnte, die nicht wie in alten Zeiten gar keine Freizeit hatten, wie Dienstboten in Downton Abbey zum Beispiel. Die mussten 24 Stunden am Tag für ihre Herrschaft zur Verfügung stehen, Samstag und Sonntag eingeschlossen. So etwas wie Urlaub war unbekannt.

Sonntags ging die Herrschaft zwar in die Kirche, aber die Dienstboten mussten währenddessen das Haus putzen und kochen und alles vorbereiten (alles ohne Strom und Wasserleitungen im Haus, ohne auch nur die geringsten Haushaltshelfer wie Staubsauger und Elektro- oder Gasherd), damit die Damen und Herren danach dann essen und ihrer Langeweile frönen konnten.

Sport war auch ein Zeichen von Langeweile, denn wenn man 24 Stunden am Tag arbeitet und ständig auf den Beinen ist, auf den Knien durchs Haus rutschen muss, um die Böden zu schrubben, dann sehnt man sich höchstens noch nach seinem Bett, wenn man dann endlich um Mitternacht schlafengehen darf, um am nächsten Morgen um fünf Uhr wieder aufzustehen und wieder so zu schuften.

Nein, niemand muss sich komisch vorkommen, wenn er oder sie Sport als etwas empfindet, das eigentlich nicht zum Menschsein gehört. Da bin ich ganz Deiner Meinung. Es ist eine Erfindung für Menschen, die sich langweilen. Viel sinnvoller ist es, die Zeit für Lesen und Bildung zu nutzen als für Sport.

Aber in unserer heutigen Welt, in der wir uns manchmal fast nur noch im Auto bewegen, ergeben sich natürlich andere Probleme, die die Menschen in vergangenen Jahrhunderten lange Zeit nicht hatten und sich auch nicht hätten vorstellen können. Wir leben in einem Überfluss, der uns nicht gut tut. So war das nie gedacht. Dass wir einfach nur den Arm auszustrecken brauchen, und die gebratenen Tauben fliegen uns in den Mund.

Nicht umsonst war das früher ein Märchen, und das Land hieß Schlaraffenland. Etwas, das es nicht gab. Das nur ein Traum war. Und die Leute dort waren keine Leute, die man beneidete. Im Gegenteil, auf allen Zeichnungen des Schlaraffenlandes sind die Bewohner dieses Landes fett, und zwar richtig hässlich fett, während sie nur daliegen und ihnen Tauben und Hühner in den Mund fliegen. Und jeder normale Mensch strafte solche Darstellungen mit Verachtung. Das waren Faulpelze. So wollte niemand sein. Ein anständiger Mensch will Leistung erbringen und dafür belohnt werden. Nicht dafür bezahlt werden, dass er nichts tut. Oder etwas geschenkt kriegen, sich faul alles zufliegen lassen.

So sah man das jedenfalls in den vergangenen Jahrhunderten. Heute ist das für viele glaube ich nicht mehr so eindeutig.

Ich freue mich, dass ich Dich dazu inspirieren konnte, das Intervallfasten auszuprobieren und dass Du damit Erfolg hast (was allerdings so gut wie garantiert ist. Was soll unser Körper auch machen, wenn wir ihm länger als acht Stunden nichts zu essen geben? Dann muss er sich das, was er braucht, aus unseren Fettdepots holen). Pistazien liebe ich übrigens auch heiß und innig. 🧖‍♀️

Was den Tritt in den Hintern betrifft . . . Das kann man für niemanden tun, der das nicht selbst will. Also bedank Dich nicht bei mir, bedank Dich bei Dir selbst. Denn Du hast das für Dich entschieden, und Du hast es gemacht. Ich habe höchstens den Anstoß dazu gegeben. Der genauso wenig wert ist wie ein Anstoß beim Fußball, wenn der Ball dann nur ins Leere rollt. Es muss jemand dasein, der den Ball aufnimmt, weitertreibt, zum Tor schießt und hinein, sonst ist es ein verlorenes Spiel und eine verlorene Sache.

Das mit dem Schreiben ist natürlich schön. Ich weiß ja, wir hatten uns darüber unterhalten, dass Du schreiben wolltest, aber nicht konntest, weil Du Dich so müde fühltest. Dass das jetzt besser geht, freut mich natürlich besonders, denn ich glaube, die Leserinnen hätten ganz gern ein neues Buch von Hanna Berghoff. 😎

Dieses Jahr musst Du Dich aber nicht mehr so anstrengen, denn das Programm ist ja schon voll. Also geh es ganz in Ruhe an. Und wenn Du dafür die Stunden des Intervallfastens nutzt, hat auch der Hunger keine Chance. Solange man etwas zu tun hat, denkt man gar nicht an Essen.

Wie es auch die Leute in früheren Jahrhunderten getan haben. Und sich daran ein Beispiel zu nehmen ist glaube ich nicht das Schlechteste.