Gedanken
Ruth Gogoll und andere Autorinnen schreiben über Themen, die sie bewegen.

Um zuerst einmal Deine Frage zu beantworten, Laura: Ja, es gibt Studien dazu, warum man sich nicht nur so energiegeladen, sondern geistig frisch und arbeitsfähig fühlt, warum man so viel kreativer ist, wenn man nichts isst oder zumindest keine Kohlenhydrate, vor allem keinen weißen Zucker und kein weißes Mehl oder Fertiggerichte, überhaupt hoch verarbeitete Industrieprodukte. Alles Abgepackte und in Tüten Verkaufte zum Beispiel.

Obwohl lange Zeit behauptet wurde, das Gehirn braucht Zucker, um zu funktionieren, hat sich mittlerweile herausgestellt, dass es wesentlich besser mit Ketonen funktioniert. Und diese Ketone entstehen eben beim Fasten beziehungsweise einfach dann, wenn man mehr als einen Tag nichts isst. Oder nur Fett und ein wenig Protein. Was wiederum mit unseren Hormonen zu tun hat, vor allem mit dem Insulin, das sehr niedrig sein muss, um Ketone entstehen zu lassen.

Sobald man Zucker oder auch andere Kohlenhydrate isst, wird die Ketonproduktion eingestellt beziehungsweise sie wird gar nicht erst angeworfen. Denn Kohlenhydrate lassen den Insulinspiegel ansteigen, und sobald der ansteigt, ist es vorbei mit den Ketonen und damit mit der Fettverbrennung. Ketone entstehen nämlich nur dann, wenn Fett in unserem Körper abgebaut wird, wenn wir uns aus unseren Fettreserven ernähren und nicht mit Essen, das von außen kommt. Jedenfalls nicht mit Essen, das Kohlenhydrate enthält.

Eine ketogene Ernährung ist etwas anderes. Damit wird die Ketonproduktion nicht abgeschaltet, sondern bleibt auch erhalten, wenn wir etwas essen. Das Wort ketogen bedeutet genau das: Genese heißt Entstehung oder Entwicklung und keto kommt natürlich von den Ketonen oder auch Ketonkörpern, das ist nur ein anderes Wort dafür, und das sind Stoffe, die beim Fettsäureabbau in der Leber entstehen.Wenn man nichts isst oder nur Fett und (wenig) Protein, ist das Insulin sehr niedrig, sodass der Körper Ketone bildet, um das auszugleichen.

Um diesen Zustand zu erreichen, muss man jedoch wirklich sehr wenige Kohlenhydrate essen, unnatürlich wenige Kohlenhydrate, könnte man fast sagen. Unnatürlich jedoch nur für uns, denn beispielsweise die Massai in Afrika ernähren sich ihr ganzes Leben lang so. Sie essen nur möglichst fettes Fleisch (mageres Fleisch wird als minderwertig betrachtet), kein Gemüse oder Obst, sind sehr groß und schlank und fit. Auch die Inuit, die man früher Eskimos nannte, ernähren sich nur von Fett und Protein aus Fisch, und auch sie sind also ihr Leben lang ketogen. Solange sie nicht mit der Zivilisation des restlichen Planeten in Berührung kamen, waren sie deshalb sehr gesund, kannten weder Herzkrankheiten noch Diabetes oder Krebs.

Das alles änderte sich für diese Völker sehr schnell, als sie ihre Ernährung modernisierten. Sie wurden dick und krank.

Viele Leute, die einer ketogenen Ernährung anhängen, meinen deshalb, wir müssten uns alle so ernähren, mit weniger als 20 g Kohlenhydraten am Tag. Die meisten Menschen, die das tun, sind tatsächlich schlank und gesund oder werden schlank und gesund, aber für mich persönlich war das lange Zeit eine Art Horrorvorstellung, da ich ja kein Fleisch esse, keinen Fisch, keine Eier, und deshalb gar nicht wusste, wie ich als Vegetarierin eine so niedrige Kohlenhydratzufuhr erreichen sollte.

In der Tat kann man das jedoch auch erreichen, wenn man nur Gemüse isst. Kein Obst natürlich und kein Brot. Dennoch sind wir weder Massai noch Inuit. Wir, die wir in Europa oder Asien leben, haben uns an eine gewisse Kohlenhydratzufuhr angepasst. Wir Menschen sind ja entwicklungsfähig. 🙂 Wenn wir das nicht wären, wären wir schon längst ausgestorben, und die Welt würde von Dinosauriern oder Insekten beherrscht. Deshalb können wir Menschen aus den Industrienationen, in denen es schon lange Zucker und Weizen gibt, sodass sich unsere Körper an einen gewissen Anteil davon gewöhnt haben, durchaus einiges an Kohlenhydraten vertragen, ohne gleich sehr dick oder krank zu werden.

Es gibt jedoch einen Unterschied zwischen natürlichen Kohlenhydraten und Kohlenhydraten aus industrieller Produktion. Das heißt, Kohlenhydrate, die in Lebensmitteln enthalten sind, die man so vom Baum pflücken oder aus der Erde graben kann, kommen immer mit Ballaststoffen einher. Jeder Apfel, jede Möhre und jede Kartoffel hat Ballaststoffe. Und sobald Kohlenhydrate mit Ballaststoffen (auf Englisch sagt man Fiber, also Fasern, das beschreibt es besser) kombiniert sind, sind sie meistens absolut verträglich und nicht schädlich, machen auch nicht dick. Jeder, der schon einmal eine Kartoffeldiät gemacht hat, weiß das. Wenn man nur Kartoffeln isst, nimmt man ab, nicht zu, völlig unabhängig von der Kalorienmenge.

Nur sind wir mittlerweile ein wenig anspruchsvoller geworden, wollen nicht immer jeden Tag dasselbe essen, zumindest nicht nur ausschließlich ein einziges Lebensmittel. Solange wir uns dabei auf Lebensmittel beschränken, die nicht durch eine Fabrik laufen und hochgradig verarbeitet werden, bevor sie verkauft werden, sondern so verkauft werden, wie sie wachsen, ist das auch überhaupt kein Problem. Auch Obst ist kein Problem, weil auch jedes Obst, das naturbelassen ist, Ballaststoffe enthält. Dennoch können drei Kilo Aprikosen dick machen wegen des vielen Zuckers. Deshalb sollte man mit Obst etwas vorsichtiger sein als mit Gemüse, das man normalerweise in völlig unbeschränkten Mengen essen kann.

Dasselbe gilt für Fleisch und reines Fett. Insbesondere reines Fett verändert den Insulinspiegel überhaupt nicht. Aber wer will sich schon allein von Olivenöl ernähren? Also ich nicht. 😎 Dennoch gibt es einige Verrückte, die das tun, die tatsächlich reines Öl trinken, weil sie sogar vor dem Protein, dem Eiweiß in Fleisch zum Beispiel oder in Milchprodukten, Angst haben. Sie denken, dass sie das schon aus der Ketose reißen könnte.

Leider gibt es diese Auswüchse immer, bei jeder Diät, bei jeder Ernährungsweise, vegan oder tierisch, bei Sport, bei Fanatismus (woher das Wort Fan kommt) für irgendwelche Berühmtheiten oder Celebritys, bei allem, wo der gesunde Menschenverstand ausgeschaltet wird.

Ich finde, man sollte sich immer auf seinen gesunden Menschenverstand verlassen und nicht auf die fanatische Befolgung von Regeln, die man vielleicht noch nicht einmal versteht. Unser Gehirn und unser ganzer Körper dankt es uns. Mit besserem Funktionieren, mit keiner Depression, mit dem Fehlen von Krankheiten, die unser Wohlbefinden beeinträchtigen, mit einem längeren und gesünderen Leben.

Und dafür lohnt es sich doch, uns ein wenig nach dem zu richten, was unser Körper wirklich braucht. Denn unser Körper, das sind Wir, das sollten wir nicht vergessen. Körper und Geist machen uns aus, aber können wir nur mit unserem Geist leben? Die meisten von uns, falls sie keine irgendwie überirdischen Wesen sind, können das nicht. Wir brauchen unseren Körper. Einen gesunden Körper.

Damit auch unser Geist so funktioniert, wie wir uns das wünschen.

Und das wollen wir doch alle. 😊