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Meine Güte. Was für ein Tag!

Mackenzie strich sich über die blonden Locken, die sich nicht ganz so legen wollten, wie sie und ihr Arbeitgeber sich das vorstellten. Sie waren genauso widerspenstig, wie Mac sich manchmal fühlte.

Leider konnte sie das nicht immer so zum Ausdruck bringen, wie sie sich das wünschte. Seit ihrer frühesten Kindheit kämpfte sie darum, ein ›gutes Mädchen‹ zu sein. Sie wollte es wirklich. Aber sie konnte nicht. Immer war sie anders als die anderen, hatte andere Ideen, andere Vorstellungen.

In der Bank, in der sie jetzt arbeitete, war das besonders schlimm. Denn die hatten ganz feste Vorstellungen davon, was richtig und was falsch war, was man tun durfte und was nicht. Wenn man da mit Logik kam oder dem, was vielleicht sinnvoll gewesen wäre, was die Arbeitsabläufe verbessert hätte oder die Qualität der Kundenbetreuung, biss man auf Granit.

Eins der Probleme dabei war, dass sie wie ein Rauschgoldengel aussah. Sie hasste es, aber irgendwann als Kind hatte ihre Mutter ihr verboten, ihre Haare abzuschneiden, und dann hatte sie festgestellt, dass es durchaus Vorteile hatte, so auszusehen. Man wurde oftmals bevorzugt behandelt, Männer unterschätzten sie, wodurch sie weniger kämpfen musste, um gewisse Dinge zu erreichen.

Aber es hatte auch gewaltige Nachteile. Man wurde nicht ernstgenommen, wurde für dumm gehalten. Blondinenwitze hatte sie schon mehr als genug in ihrem Leben gehört.

Ihrem Aussehen hatte sie den Job hier zu verdanken. Weil der Bankdirektor ein Idiot war. Er wollte eine gutaussehende Kassiererin an der Front, die die Kunden davon überzeugte, vielleicht nicht nur Geld abzuheben, sondern auch noch etwas anzulegen.

Das konnte Mackenzie durchaus gut, und dann bekam sie eine kleine Provision, aber es machte ihr keinen Spaß. Es gab nicht viel, was an einem Job wie diesem hier Spaß machte. Er war eine Möglichkeit, Geld zu verdienen, um seine Rechnungen zu bezahlen, mehr nicht.

Sie ließ ihren Blick durch die Schalterhalle der kleinen Bankfiliale in Langley schweifen. Langley, British Columbia, Kanada. Nach Vancouver waren es nur gut vierzig Minuten über den Highway. Aber dennoch kam man sich hier so vor wie am Ende der Welt, wie auf dem letzten Dorf. Die Grenze zu den USA lag vor der Tür, aber auch auf der anderen Seite war die Gegend hier fast nur Wildnis.

Warum musste sie ausgerechnet an so einem gottverlassenen Ort geboren sein? Wenn es wenigstens Vancouver gewesen wäre. Aber nein. Langley. Der letzte Ort, an dem sie sein wollte.

In Vancouver waren einige ihrer Klassenkameraden von der High School aufs College gegangen. Hätte sie das auch tun können, dann wäre sie aus diesem Konservendosennest weggekommen. Aber leider hatte sie keine Familie, die ihr das hätte bezahlen können.

Sie war bei einem Onkel und einer Tante aufgewachsen, die selbst nicht viel hatten. Liebe Menschen, die ihr gern ihren letzten Cent gegeben hätten. Nur leider hatten sie sogar den nicht. Sie hatten eine kleine Hütte auf einem kleinen Stück Land. Unsere kleine Farm . . .

Wie sie das hasste! Wie sie das alles hasste! Manchmal hätte sie sich gewünscht, dass hier eine Bombe einschlagen würde. Oder wenigstens ein Tornado alle Häuser wegfegen. Damit sie endlich weggehen konnte. Weggehen musste.

Aber wie viele Naturkatastrophen es auch gab, wenn man sie brauchte, passierten sie einfach nicht.

Dafür passierte Mrs. Minor. Eine Kundin, die immer etwas zu meckern hatte. Sie kam durch die Tür der Schalterhalle herein, und Mackenzie wappnete sich für das, was sie heute wieder an irgendetwas auszusetzen haben würde. Hörte das denn nie auf?

»Was kann ich für Sie tun, Mrs. Minor?« Wie immer setzte sie ein gekünsteltes Lächeln auf, als die ältere Frau an ihren Schalter trat.

Dummerweise war sie die Frau des Bürgermeisters, und Mackenzie musste gute Miene zum bösen Spiel machen, oder sie bekam den größten Ärger. Einmal hatte sie versucht, Mrs. Minor in ihre Schranken zu weisen, und das wollte sie nicht wiederholen. Sie hätte deshalb fast ihren Job verloren.

Und was sollte sie dann machen? Auf die Farm ihres Onkels und ihrer Tante zurück? Oder in die Fischkonservenfabrik? Nein, danke. Dann tat sie lieber so, als würde sie diese Kundin gern bedienen.

»Guten Morgen, Miss Thorpe.« Auch wenn es mittlerweile üblich war, unverheiratete Frauen mit dem neutralen Ms. anzusprechen, ebenso wie verheiratete Frauen, Mrs. Minor bestand darauf, Mrs. genannt zu werden, und nannte unverheiratete Frauen unbeirrt Miss. Ob sie wollten oder nicht. »Sie haben den Fehler sicher schon entdeckt, oder?«

Mackenzie hatte nicht die geringste Ahnung, wovon sie sprach, und sah sie nur mit leicht fragend hochgezogenen Augenbrauen an. »Fehler?«

»Den Fehler in meiner Abrechnung!«, donnerte Mrs. Minor.

Das konnte vieles heißen. Wenn Mac jetzt aber noch einmal Abrechnung? fragte, würde Mrs. Minor ihr an den Hals gehen. Sie erwartete von allen anderen, dass sie Gedanken lesen konnten, sofern es sie betraf. Nicht dass sie sich selbst je die Mühe gemacht hätte, das bei jemand anderem zu tun.

Doch erfahrungsgemäß konnte sie sich nicht lange zurückhalten weiterzusprechen und ihr Missfallen kundzutun. So auch diesmal. »Die Zinsen!«, polterte sie. »Für mein Geld!«

Ach so. Jetzt wusste Mac Bescheid. Mrs. Minor hatte noch nicht mitbekommen, wie die Zinslage war. Sie erwartete dieselben Zinsen bei der Neuanlage ihres Kapitals wie vor ein paar Jahren, als sie das Geld das erste Mal angelegt hatte.

Mackenzie räusperte sich. Wie sollte sie ihr das jetzt verklickern? Egal, was sie sagte, Mrs. Minor würde einen Wutanfall bekommen. »Die Zinsen sind . . . gefallen«, versuchte sie es vorsichtig. »Und Sie haben einen variablen Zinssatz.«

»Tun Sie nicht so, als wären Sie klüger als ich!«, fauchte Mrs. Minor. »Reden Sie kein Ausländisch!«

Hm. Variabler Zinssatz verstand sie also nicht. Sie hielt das für eine Fremdsprache. Aber es war genau das, was sie unterschrieben hatte.

Nicht bei Mackenzie. Da war sie noch gar nicht hiergewesen. Zu dem Zeitpunkt war sie noch auf der High School.

»Vielleicht sollten Sie lieber mit Mr. Clarke sprechen«, bot Mackenzie an. Das war der Bankdirektor, der ein Idiot war. »Er versteht weit mehr von der Sache als ich.«

»Das können Sie wohl laut sagen!« Mrs. Minors dunkle Augen blitzten sie an. »Und? Nun holen Sie ihn schon!«

Das tat Mackenzie in diesem Fall ausgesprochen gern. Sie entfernte sich vom Schalter und atmete aus.

Aber so, wie es jetzt war, konnte es nicht bleiben. Jeden Tag gab es mehr Dinge an diesem Leben, die sie hasste, nicht weniger.

Mrs. Minor war vielleicht besonders unverschämt, aber sie war auch keine große Ausnahme. Viele Leute hielten Mackenzie für einen Fußabtreter. Weil sie aus einer armen Familie stammte und kein College besucht hatte.

Wahrscheinlich hielten sie es schon für anmaßend, dass sie in der Bank angestellt war. Das war ein viel zu guter Job für sie, dachten viele. Sie sollte heiraten und Kinder bekommen und die jungen Männer des Ortes nicht mehr aufregen, die alle sofort eine enge Hose bekamen, wenn sie sie sahen.

Aber was ging das sie an? Sie interessierte sich nicht für diese Jünglinge. Und auch nicht für die Älteren, die schon verheiratet waren und trotzdem nicht davon lassen konnten, sie anzustarren. Als ob sie ihr etwas zu bieten gehabt hätten. Aber sie hielten sich alle für ein Geschenk Gottes an die Frauenwelt.

Nicht für mich, dachte Mackenzie und presste die Lippen zusammen, als sie jetzt an die Bürotür des Bankdirektors klopfte. Nicht für mich.

Nein. Sie hatte etwas Besseres verdient, als die Bälger für irgend so einen debilen Schwachsinnigen zu bekommen.

Kingsley Stevens: Kopfüber ins Abenteuer mit dir

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