Andererseits war es aber auch nicht ihre Vorstellung von einem erfüllten Leben, nach der Arbeit nach Hause zu kommen und allein zu sein. Langley hatte kein Nachtleben, keine Möglichkeiten, etwas zu unternehmen, wie sie in einer Großstadt normal waren.

Soziale Aktivitäten fanden mit den Kollegen oder in der Familie statt. Man unterhielt sich mit den Nachbarn. Und verfolgte das Leben anderer im Internet. Jede Hochzeit, jedes Kind, das geboren wurde, jede Urlaubsreise.

Doch Mackenzie wollte nicht nur andere dabei begleiten, sie wollte das selbst tun. Wofür ihr leider das Geld fehlte.

Wenn man so wollte, konnte man ihre Ausflüge nach Vancouver als Urlaubsreisen bezeichnen. Kurzurlaub. Urlaub vom Alltag. Urlaub von der Umgebung und den Leuten, die sie kannte.

Aber es fiel ihr immer schwerer, nach diesem Urlaub vom Alltag in den Alltag zurückzukehren.

Sie wollte etwas erleben.

Nicht nur andere dabei beobachten, wie sie etwas erlebten.

6

Sydney freute sich darauf, endlich ein Bier zu trinken. Wenn sie fuhr, tat sie das nicht, und so hatte sie auch zum Mittagessen nur Kaffee getrunken. Aber nun war sie hier gestrandet und würde heute nicht mehr fahren.

Es war Anfang August, und in den letzten Tagen war es sehr heiß gewesen, bis zu dreißig Grad. Sie hatte ganz schön geschwitzt in ihrer Montur, auch wenn der Fahrtwind von außen kühlte.

Die Dusche im Hotelzimmer hatte Staub und Schweiß abgewaschen, aber besonders erfrischend war sie nicht gewesen. Die Rohre verliefen außen am Haus, und das Wasser darin und im Tank auf dem Dach hatte sich durch die Sonnenstrahlen des ganzen Tages erwärmt. So war eine kalte Dusche nicht möglich gewesen, nur eine warme.

Aber jetzt, in der leichteren Kleidung, spürte sie die Brise auf ihrer Haut, die der beginnende Abend mit sich brachte. Sie atmete tief durch und genoss es. Es war schön, einmal zur Ruhe zu kommen. Das Gefühl hatte sie schon lange nicht mehr gehabt. Und ein kühles Bier würde sie endgültig mit dem Schicksal versöhnen.

Soweit das möglich war. Aber darüber wollte sie heute nicht mehr nachdenken, nur noch an das denken, was hier und jetzt vor ihr lag. Alles andere blendete sie aus.

Wie in vielen dieser Kleinstädte gab es keine große Auswahl, was Bars oder gar Restaurants betraf. Man musste nehmen, was man kriegen konnte. Aber das war für Sydney kein Problem. Hauptsache, es gab wenigstens ein einziges Lokal, in dem sie ein kaltes Bier im Kühlschrank stehen hatten.

Sie schlenderte die Hauptstraße hinunter und sah schon kurz darauf ein Schild. Sammy J’s und ein großes BAR in geschwungenen Buchstaben darüber, die später, wenn es dunkel war, wahrscheinlich leuchten würden. Wer auch immer Sammy J war, aber wenn er ein kaltes Bier hatte, war er für den Moment Sydneys Freund.

Froh gestimmt betrat sie die Bar, schaute sich jedoch gewohnheitsmäßig schnell um, um alles zu checken, die Ausgänge, die Fenster, die Größe und die Anzahl der Gäste. Es war noch recht früh am Abend, eigentlich erst später Nachmittag, und deshalb war die Bar zum größten Teil leer.

Sie ging zum Tresen und setzte sich auf einen der hohen Barhocker, stützte die Ellbogen auf. Der Barkeeper kam zu ihr herüber und sah sie fragend an.

»Bier«, sagte Sydney. »Groß und kalt.«

»Klar«, erwiderte er nickend, ging ein paar Schritte an der Theke entlang, beugte sich hinunter, öffnete einen Kühlschrank und nahm eine Flasche heraus. »Glas?«, fragte er mit leicht hochgezogenen Augenbrauen.

Sydney schüttelte den Kopf. »Brauche ich nicht.«

Daraufhin stellte er die Flasche vor sie hin, platzierte einen Bierdeckel darunter und machte einen Strich darauf. Offensichtlich erwartete er, dass Sydney mehr als ein Bier trinken würde.

Dankend nickte Sydney ihm zu, öffnete die Flasche und setzte sie an ihre Lippen. Das Bier war wirklich kalt, Kondenswasser hatte sich innerhalb von Sekunden außen am Glas gebildet, und Sydney genoss ein paar Schlucke, ohne abzusetzen. Dann stellte sie die Flasche auf den Tresen, umfasste sie mit beiden Händen und blickte sich um, als nun Menschen hereinkamen.

Es sah so aus, als hätten die Büros in Langley gerade geschlossen. Die Männer trugen Anzüge mit Krawatten und die Frauen Kostüme oder Kleider, die der Hitze des Tages angemessener waren. Doch alle waren zurückhaltend gemustert. Keine tiefen Dekolletés und auch keine Miniröcke. Keine Freizeitkleidung.

Es waren Kollegen, die nach einem harten Arbeitstag noch ein Bier oder einen Cocktail miteinander tranken, bevor sie nach Hause gingen.

Wie man das so macht, wenn man nichts zu tun hat, musterte Sydney die Anwesenden oberflächlich, ohne dass ihr Blick auf irgendjemandem verharrte. Es war kein wirkliches Interesse dahinter, nur ein Wahrnehmen der Atmosphäre. Sie erwartete nichts Aufregendes hier, und dafür war sie sogar dankbar. Aufregung hatte sie genug gehabt.

So saß sie eine ganze Weile da, ihre Bierflasche leerte sich, und sie bestellte eine zweite. Es war wirklich gutes Bier. Als der Barkeeper ihr die zweite Flasche brachte, sah sie, dass sein Blick plötzlich über ihrer Schulter verweilte. Nicht weil er Sydneys Schulter so interessant fand, sondern etwas, das er genau über diese Schulter sehen konnte.

Unwillkürlich drehte Sydney sich um, um seinem Blick zu folgen. Sie musste ihre Mundwinkel schwer beherrschen, damit sie sich nicht grinsend verzogen. So zuckten sie nur. Da war sie ja wieder, ihre – wenn man so wollte – allererste Bekanntschaft in Langley. Der allererste Mensch hier, den sie bewusst wahrgenommen hatte.

Die Frau warf keinen Blick zu ihr, wusste vermutlich gar nicht, dass Sydney hier saß. Nahm es nicht wahr, weil sie im Gegensatz zu Sydney den Raum nicht checkte, sondern ihn täglich sah, ihn in- und auswendig kannte. Wie auf einer vorgezeichneten Route ging sie nach links, ohne sich umzublicken, wo sie hätte nach rechts schauen müssen, um Sydney zu sehen.

Sie war nicht allein, sondern in einer Gruppe von fünf Leuten. Und sie hatten anscheinend einen speziellen Stammplatz, auf den sie sofort zusteuerten. Einen Tisch hinten an der Wand.

Weil sie nichts Besseres zu tun hatte, folgte Sydney ihr mit ihren Blicken. Sie war wirklich ein Hingucker, und selbst in einem dunklen Bürokostüm, wie sie es trug, konnte man ihren knackigen Po mehr als nur erahnen. Ihre schlanken Beine, die in halbhohen Pumps steckten, bemerkte man sowieso.

Abgesehen davon, dass ein dunkles Kostüm ihre blonden Haare, die darüber herunterwallten, durch den Kontrast noch mehr hervorhob. Kaum hatte sie sich gesetzt, zog sie die Jacke aus und hängte sie über den Stuhl. Von der hellen Bluse darunter hoben sich ihre Haare nun nicht mehr so stark ab. Dafür waren ihre Brüste besser zu sehen.

Die Bluse war natürlich nicht besonders eng, aber der Schnitt einer Damenbluse war nun einmal dafür gedacht, dass man sie sah. Sie hätte ein weites, labbriges Männerhemd tragen müssen, um sie zu verstecken.

Sydney merkte, dass es schon eine ganze Weile her war, dass sie eine Frau so in aller Ruhe hatte betrachten können, ohne dass sie gleich im Bett landeten. Es war ein Vergnügen der besonderen Art. Sie zu berühren wäre vielleicht noch schöner gewesen, aber auch ihr Anblick machte schon Spaß.

Nicht nur Sydney, wie sie am Blick des Barkeepers bemerkt hatte. Seine Augen hatten geradezu aufgeleuchtet, als sie hereingekommen war. Obwohl sie das doch wahrscheinlich jeden Tag tat. Aber an so einen Anblick gewöhnte man sich nie.

Du bist schon eine dumme Nuss, dachte sie innerlich kopfschüttelnd und über sich selbst schmunzelnd. Was willst du von so einem Mädel in so einer Stadt? Außerdem stand sie bestimmt sowieso nicht auf Frauen. Vielleicht war sie mit einem der Männer, die jetzt mit ihr am Tisch saßen, verlobt. Das war sogar sehr wahrscheinlich. Und in absehbarer Zeit würde sie verheiratet sein, Kinder bekommen . . .

Kingsley Stevens: Kopfüber ins Abenteuer mit dir

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