»Vierzehn Jahre. Und nie verheiratet.« Manuela seufzte erneut. »Das ist schlau. So bleibt die Liebe immer frisch.« Ihr Seufzen breitete sich über ihren ganzen Körper aus. »Das hätte ich bei meinen drei Ehen bedenken sollen. Hätte mir drei Scheidungen erspart.«

Dani verzog leicht das Gesicht. »Ich hätte nichts dagegen gehabt zu heiraten, aber Frauke . . . wollte das nicht. Ihre Eltern haben sich scheiden lassen, als sie noch ein kleines Kind war. Hat ihr ein Trauma verpasst.«

»Vierzehn Jahre sind vierzehn Jahre«, stellte Manuela fest, ohne dass Dani ihr da widersprochen hätte. »Verheiratet oder nicht. Keine meiner Ehen hat so lange gedauert.«

»Dann müsstest du ja auch uralt sein.« Dani lachte. »Das wären fünfundvierzig Jahre Ehe. Fast schon eine goldene Hochzeit.«

»Wem sagst du das?« Manuela verdrehte die Augen. »Horror!«

»Siehst du? Deshalb hast du das nicht gemacht«, sagte Dani. »Du willst es gar nicht. Du willst frei wie ein Vogel sein und rumflirten.«

»Ich? Flirten?« Manuela tat wie die Unschuld in Person. »Wie hieß das Wort noch mal? Kannst du mir das buchstabieren?«

Dani lachte wieder. »Du bist unverbesserlich. Aber ich . . .«, sie bekam einen verträumten Gesichtsausdruck, »ich habe in Frauke meine Traumfrau gefunden. Ich will keine andere. Noch nicht mal mit einer flirten.«

»Dann solltet ihr vielleicht doch endlich heiraten«, meinte Manuela trocken. »So schafft ihr es wenigstens noch bis zur silbernen Hochzeit, wenn es schon keine goldene mehr werden kann.«

Dani schluckte. »Ich . . . Ich habe mich gefragt, ob ich Frauke heute fragen soll«, sagte sie leise. »Ich meine, in diesem Lokal, in dem wir uns das erste Mal getroffen haben . . . das sie so geliebt hat . . . und nach vierzehn Jahren . . . Ich wollte sie nie zu etwas drängen, aber es würde sich ja nichts ändern. Wir sind so oder so zusammen.«

»Stimmt.« Manuela spitzte die Lippen. »Sie soll sich nicht so haben. Sind ihre Eltern nicht sogar schon tot?«

Dani nickte.

»Also dann gibt es kein Trauma mehr«, beschloss Manuela. »Die Verursacher sind weg, und ihr solltet euer Leben so leben, wie es euch gefällt. Nicht irgendwelchen Vorfahren.« Sie stöhnte. »Ich wünschte mir, meine Eltern wären tot!«

»Wünschst du dir nicht«, widersprach Dani schmunzelnd. »Du liebst sie beide.«

»Ja, aber sie nerven«, entgegnete Manuela. »Immer und immer wieder. Egal, was ich ihnen sage oder worum ich sie bitte, sie tun das Gegenteil. Sie sind alte Hippies.«

»Das hört sich so an, als wäre ihre Liebe jung geblieben.« Danis Mundwinkel zuckten. »Eben fandst du das noch gut.«

»Ach, du bist einfach –« Spielerisch schlug Manuela mit ihrem Handy nach Dani.

»Was?«, fragte Dani. »Vernünftig? Klarsichtig? Deine beste Freundin?«

Manuela lachte. »Alles drei. Und deshalb liebe ich dich. Bist du sicher, dass für heute Abend alles vorbereitet ist? Weiß Frauke Bescheid?«

»Natürlich nicht!« Entsetzt schaute Dani sie an. »Dann wäre es ja keine Überraschung mehr. Ich habe sie gebeten, um acht dort zu sein. Für ein intimes Essen zu zweit. Schon das war ihr schwer abzuringen. Wenn sie wüsste, was sie dort erwartet . . .«

»Käme sie gar nicht mehr«, beendete Manuela den Satz. »Verstehe. Und du bist sicher, dass sie sich freuen wird?«

»Aber natürlich«, sagte Dani. »Sie wird fix und fertig sein vor Glück. Damit rechnet sie bestimmt nicht. Und wenn sie dann in der richtigen Stimmung ist –«, sie dachte an heute Morgen, als sie Frauke auch in die richtige Stimmung gebracht und sie sich nicht gewehrt hatte, »mache ich ihr einen Antrag. Vor allen Leuten. Dann kann sie gar nicht ablehnen.«

»Ihr seid so ein schönes Paar«, sagte Manuela. »Wird Zeit, dass es mal offiziell wird. Und wie du sagst, es ist ja nur eine Formalität. Eigentlich seid ihr schon verheiratet. Fehlt nur noch das Papier.«

Aufgeregt stand Dani vor dem Gebäude und wartete auf Frauke. Wenn Frauke auf der Arbeit etwas dazwischenkam, konnte sie immer noch absagen. Sie war so. Und gestern war sie sehr spät nach Hause gekommen, schon seit Tagen, wenn nicht Wochen war das so. Das hieß, sie hing in so einer Art Arbeitsschleife fest.

Aber heute war ihr Geburtstag. Einer, den sie lieber nicht gehabt hätte, aber immerhin ihr Geburtstag. Und sie waren schon ewig nicht mehr allein zu zweit ausgegangen. Oder überhaupt ausgegangen. Arbeit, Arbeit, Arbeit – das war alles, was Frauke kannte.

Nicht dass Dani ihr deshalb Vorwürfe machte. Sie selbst hatte in ihrem Beruf nicht halb so viel zu tun, deshalb übernahm sie mehr von dem, was im Haus anfiel. Frauke verdiente auch viel besser als sie. Sie hatten eine Putzfrau, die einmal in der Woche kam. Ansonsten hielt Dani alles in Ordnung.

Im Gegensatz zu Frauke, die außerhalb ihrer Kollegen niemanden kannte, hatte Dani viele Freundinnen und Freunde. Sie war ein geselliger Mensch. Und versuchte immer wieder, Frauke dazu zu überreden mitzukommen. Genauso regelmäßig lehnte Frauke ab. Sie hätte keine Zeit.

Dennoch gab es ein paar Sachen, die sie gemeinsam taten. Auch gemeinsam mit anderen. Das eine war Sport. Frauke hasste Sport, aber sie betrieb ihn als Ausgleich zu ihrem Bürojob, in dem sie zu viel saß. Sie hatte einen festen Plan. Sie joggte in aller Herrgottsfrühe, und an zwei Tagen in der Woche betrieb sie in der Mittagspause in einem Fitnessstudio funktionelles Training.

Normalerweise machte sie gar keine Mittagspause, aber an diesen beiden Tagen legte sie ihre Termine so, dass sie es tun konnte. Sie war ein sehr effizienter Mensch.

Beim Joggen schaffte Dani es nur selten, sie zu begleiten. Sie war keine Frühaufsteherin. Aber mittags ging sie gleichfalls in das Fitnessstudio, wenn sie wusste, dass Frauke da war.

Es war nicht dasselbe wie gemeinsam mittagzuessen und sich zu unterhalten, aber immerhin sahen sie sich. Denn manchmal kam Frauke erst nach Hause, wenn Dani schon schlief.

Da sie eine große Wohnung hatten, lud Dani oft Gäste ein, und wenn Frauke nicht gerade erst um Mitternacht nach Hause kam, lernte sie so auch Danis Freundeskreis kennen. Immer wieder hatte Dani versucht, sie in diesen Freundeskreis hineinzuziehen, aber Frauke blieb am Rand. Alle kannten sie, und sie kannte alle, aber nur flüchtig.

Dennoch hatten einige ihrer Freundinnen sofort begeistert auf die Idee reagiert, etwas Besonderes für Fraukes fünfzigsten Geburtstag vorzubereiten. Sie hofften, sie dadurch endlich einmal aus der Reserve zu locken. Sie hatten einen Saal gemietet und dort das Ambiente des kleinen Restaurants, in dem Dani und Frauke sich kennengelernt hatten, nachgebaut.

Die Tische, die Dekoration, die Lampen. Dani erinnerte sich noch an alles. Es hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt, und sie hatte immer einmal wieder daran gedacht. Vor allem, wenn Frauke von dem Lokal sprach, als wäre es ihre Heimat gewesen. Sie war damals jeden Abend nach der Arbeit dort hingefahren, um noch etwas zu essen, bevor sie nach Hause ging.

Für Dani war es eine Ausnahme gewesen, so spät noch zu essen, aber Frauke aß oft den ganzen Tag über nichts oder nicht viel. Dani war an jenem Abend mit Freunden in dem Lokal gewesen, um etwas zu feiern. Da hatte sie Frauke zum ersten Mal gesehen, die allein an einem Tisch saß.

Ruth Gogoll: Eine quasi verheiratete Frau

1 Daniela freute sich. Sie freute sich auf den heutigen Abend. Zuerst einmal freute sie sich aber...
»Vierzehn Jahre. Und nie verheiratet.« Manuela seufzte erneut. »Das ist schlau. So bleibt die...
Ehrlich gesagt war Dani selbst nicht sehr glücklich gewesen zu dem Zeitpunkt. Sie hatte ein paar...
»Da bist du ja!« Endlich sah sie Frauke aus ihrem Wagen steigen und lief auf sie zu. Irritiert sah...
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Lea und Swetlana – neben Manu ihre besten Freundinnen – hatten sie zwar auch zu dem einen oder...
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