»Wie ich es sage«, entgegnete Frauke. »Es klappt einfach nicht mit uns. Ich brauche etwas . . . Raum für mich. Und will dir auch welchen geben, um darüber nachzudenken, was werden soll.«

Ein Unterkiefer war dazu gemacht, herunterzuklappen, richtig? Danis tat es jedenfalls. Dann fing sie ihn wieder ein. »Was werden soll?«, wiederholte sie. »Mit uns?«

»Ja.« Frauke nickte. »Wenn wir kein Paar mehr sind, muss ja einiges geregelt werden. Aber das hat keine Eile.«

Es war wirklich schwierig für Dani, ihren Unterkiefer oben zu halten. »Was . . . Was ist los?«, stammelte sie. »Hast du eine andere?«

»Nein.« Frauke schüttelte den Kopf. »Darum geht es nicht.«

Für ein paar Minuten saß Dani am Boden zerstört da und starrte nur die Tischdecke an, dann hob sie den Kopf und sah Frauke ins Gesicht. »Und du dachtest nicht, dass du vielleicht mal mit mir darüber reden solltest? Nach vierzehn Jahren? Wir sind heute seit vierzehn Jahren zusammen!«

Langsam nickte Frauke. »Ja, mein Geburtstag war immer schon ein schwieriger Tag für mich.«

Dani fasste es nicht. »Das ist das Einzige, was du dazu zu sagen hast?«

»Ich gehe jetzt«, sagte Frauke und stand auf. »Es tut mir leid, Dani. Aber es hat keinen Sinn, Vergangenem nachzutrauern. Wir müssen in die Zukunft sehen. Du und ich. Beide.«

Sie beugte sich herunter und hauchte einen Kuss auf Danis kalte Lippen, dann ging sie.

Dani wollte ihr hinterherlaufen, doch obwohl sie das wollte, fühlte sie sich so, als wäre sie an ihren Stuhl gefesselt, konnte nicht aufstehen. Ihre Beine gehorchten ihr nicht.

»Wo ist Frauke hingegangen?«

Nach einer endlos langen Zeitspanne, von der Dani nicht sagen konnte, wie lange sie gedauert hatte, hörte sie Manus Stimme.

»Wann kommt sie wieder?«

»Gar nicht.« Danis Stimme war so leise, dass sie die Musik nicht übertönen konnte.

»Was?« Manu beugte sich zu ihr. »Was hast du gesagt?« Sie brachte ihr Ohr nah an Danis Mund.

»Gar nicht«, wiederholte Dani tonlos. »Sie hat sich gerade von mir getrennt. Ihre Sachen hat sie schon aus der Wohnung geholt, sagte sie.«

Manuela drehte das Gesicht zu ihr und sah so verblüfft aus wie eine Anime-Figur mit weit aufgerissenen runden Augen, die ins Leere starrt. »Du willst mich wohl auf den Arm nehmen.«

»Nein, leider nicht.« Dani räusperte sich. »Und sie wohl auch nicht.«

»Und was ist jetzt mit dem Dessert? Und der Überraschung?«, fragte Manu. »Das Mädel, das aus der Torte springt? In Strapsen?«

Auf einmal ohne jedes Gefühl in sich zuckte Dani die Schultern. »Die Leute werden bestimmt trotzdem ihren Spaß damit haben. Aber ich wohl nicht.«

Endlich konnte sie ihre Beine wieder bewegen und stand auf.

»Ich glaube, die Geburtstagsparty ist gelaufen. Und mein Heiratsantrag auch.« Sie holte tief Luft. »Sag den anderen am besten nichts davon. Sie sollen denken, Frauke und ich sind verschwunden, um ihren Geburtstag allein zu feiern.« Sie lachte hohl auf. »Im Schlafzimmer. Das hatte ich ehrlich gesagt auch vorgehabt.«

»Aber –« Manu streckte einen Arm nach ihr aus, als Dani sich vom Tisch entfernte.

»Bis morgen, Manu«, verabschiedete sie sich. »Habt noch viel Spaß. Denkt nicht mehr an uns.«

Ein Uns gibt es ja anscheinend sowieso nicht mehr, dachte sie, als sie hinausging.

Obwohl sie das bis vor ein paar Minuten noch nicht gewusst hatte.

3

»Du kommst zur Arbeit?« Manus Stimme klang tatsächlich besorgt. Was nicht so ganz ihrem Charakter entsprach. Es sei denn, es ging um sie selbst. »Ich dachte, du kämst heute nicht.«

Dani hatte das Gefühl, sie schleppte ihre Laptoptasche zu ihrem Schreibtisch, obwohl das Ding ja wirklich nichts wog und sie es normalerweise kaum spürte.

»Ich habe darüber nachgedacht, mich krankzumelden«, sagte sie. »Aber dann dachte ich, Arbeit ist die beste Medizin. Die beste Ablenkung.«

»Ich finde, du hättest zu Hause bleiben sollen«, sagte Manu. »Du siehst scheiße aus.«

»Oh danke.« Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Dani sie an. »Es ist so tröstend, liebevolle Unterstützung von seiner besten Freundin zu bekommen.«

»Du weißt, ich sage immer die Wahrheit.« Manu grinste, wurde dann aber wieder ernst. »Hast du heute Nacht überhaupt geschlafen?«

»Mit wem?«, fragte Dani zurück. »Ach sorry.« Sie winkte ab und ließ sich auf ihren Schreibtischstuhl fallen. »Ich weiß, so war das nicht gemeint.« Sie seufzte tief auf. »Nein, ich habe nicht geschlafen. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Ich habe versucht, Frauke anzurufen, ihr endlos viele Nachrichten geschickt, dass wir reden müssen, aber sie hat mich wohl blockiert.«

»Oh-oh.« Manu spitzte die Lippen. »So schlimm ist es schon? Sie ghostet dich?« Neugierig legte sie den Kopf auf die Seite. »Und ihr hattet wirklich keinen Streit? Gar nichts?«

Dani nickte. »Gar nichts. Absolut nichts. Am Morgen haben wir noch –« Sie unterbrach sich selbst, weil sie nicht daran denken wollte. Sie hatte Rücksicht auf Frauke genommen. Hatte nicht von ihr verlangt, dass sie ihren Teil beitrug. Und was war der Dank? Sie schüttelte den Kopf. »Ist ja auch egal.«

»Hat sie eine andere?«, fragte Manu. »Eine, die jünger ist als du?«

Getroffen zuckte Dani zusammen, weil sie Frauke genau dasselbe gefragt hatte. Weil das auch ihr erster Gedanke gewesen war. »Ich bin ja schon jünger als Frauke«, sagte sie. »Und was für ein Klischee wäre das? Sie hat mich wegen einer Jüngeren verlassen.«

»Ein Klischee, das leider oft der Realität entspricht«, seufzte Manu. »Ich bin der beste Beweis.«

Kurz sah Dani sie an. »Nein«, sagte sie dann. »Sie sagt, es ist nicht wegen einer anderen, jünger oder nicht. Sie braucht . . . Raum. Um über Dinge nachzudenken.«

»Und das glaubst du?« Manu machte ein küssendes Geräusch mit den Lippen. »Es ist eine Jüngere, darauf wette ich.«

»Frauke ist kein Mann«, wehrte Dani ab. Warum verteidige ich sie auch noch? dachte sie gleich darauf. Hat sie das verdient?

Aber nach vierzehn Jahren war sie daran gewöhnt, Frauke zu verteidigen. Viele ihrer Freundinnen hatten Frauke unzugänglich gefunden. Und sich dann bei Dani darüber beklagt. Als ob sie nicht selbst damit zu kämpfen gehabt hätte.

»Mann oder nicht«, beharrte Manu. »Fünfzig ist das Alter. Oder sogar schon ein bisschen früher.«

»Das Alter?« Dani runzelte die Stirn. »Welches Alter?«

»Midlifecrisis«, sagte Manu. »Noch nie davon gehört? Bei dir ist es auch bald so weit.«

»Du bist ja heute mal wieder in Spitzenform«, spottete Dani. »Genau das, was ich gebraucht habe.«

»Ach, ich will nur sagen, dass man manchmal nicht darum herumkommt.« Manu zuckte die Schultern. »Wir werden alle älter. Einige weniger als andere . . .«, sie warf ihre Haare mit einer Marilyn-Monroe-Geste zurück, »aber selbst ich spüre das.«

»Natürlich werden wir älter!«, fuhr Dani auf. »Aber das ist doch kein Grund –«

Dennoch dachte sie daran, wie Frauke über ihren fünfzigsten Geburtstag gesprochen hatte. Wie sie gemeint hatte, schon der vierzigste wäre schlimm gewesen, aber dieser – Sie hatte geklungen, als stände sie am Abgrund. Und Dani hatte das nicht ernst genommen. Vielleicht war es ihre Schuld?

Ruth Gogoll: Eine quasi verheiratete Frau

1 Daniela freute sich. Sie freute sich auf den heutigen Abend. Zuerst einmal freute sie sich aber...
»Vierzehn Jahre. Und nie verheiratet.« Manuela seufzte erneut. »Das ist schlau. So bleibt die...
Ehrlich gesagt war Dani selbst nicht sehr glücklich gewesen zu dem Zeitpunkt. Sie hatte ein paar...
»Da bist du ja!« Endlich sah sie Frauke aus ihrem Wagen steigen und lief auf sie zu. Irritiert sah...
»Wie ich es sage«, entgegnete Frauke. »Es klappt einfach nicht mit uns. Ich brauche etwas . .....
»Mach dir keine Vorwürfe«, sagte Manu in diesem Moment, als hätte sie ihre Gedanken gehört. »Wenn...
Lea und Swetlana – neben Manu ihre besten Freundinnen – hatten sie zwar auch zu dem einen oder...
Und Frauke hatte Dani verlassen, nicht sie Frauke. Von einer Minute auf die andere. Sie hatte...
Ein wenig bereute sie ihren Entschluss schon. Ihre Zustimmung dazu, sich von Triz fotografieren zu...
Ein lautes Stöhnen löste sich aus Danis tiefster Kehle. Sie warf den Kopf zurück und hätte jetzt...
»Nicht in deinem Alter vielleicht«, erwiderte Dani leicht indigniert. Kurz betrachtete Triz sie...
»Und du weichst mir aus.« Von Danis Schreibtisch aufstehend stellte Manu das fest. »Was ein Beweis...