Doch dass diese Frau meinte, Madeleine wäre jemand, die man einfach so irgendwo hinschicken könnte, um sauberzumachen, brachte sie endgültig auf die Palme. Wofür hielt diese Frau sie? Für eine Putzfrau?

Sie wollte schon explodieren und diesen unverschämten Eindringling hinauswerfen, da sagte Simi: »Wissen Sie, wie man die Bank da in ein Bett verwandelt?«

Die Überraschung hielt die Explosion in Madeleine zurück. »Nein«, gab sie verblüfft zu und musterte die Bank, auf deren einer Seite sie saß. »Die ist doch viel zu schmal.«

»Stehen Sie auf, dann zeige ich Ihnen, wie das geht, dass Sie darauf schlafen können«, bot Simi mit einem breiten Lächeln im Gesicht an. »Es sind nur ein paar Handgriffe.«

Obwohl sie sich normalerweise weigerte, jede Art von Anweisung zu befolgen, stand Madeleine gehorsam auf und sah zuerst die Bank, dann Simi sehr ungläubig an.

»Sehen Sie hier?« Simi klappte mit geschickten Griffen hier etwas auf, dort etwas zu, zog etwas heraus, hängte etwas ein, verteilte Polster darauf, die Madeleine zuvor gar nicht gesehen hatte, und tatsächlich entstand eine wenn auch ziemlich begrenzte Liegefläche.

»Alte Wohnwagen sind da ein bisschen umständlicher als neue«, teilte Simi ihr mit, als wäre sie eine Verkäuferin in einem Wohnwagenvertrieb, »aber es geht bei allen.«

»Offenbar.« Ungewollt war Madeleine beeindruckt.

Auch wenn der Wohnwagen immer noch eine Art Schuhkarton war und das sogenannte Bett etwas für ein Kinderzimmer, gab es doch tatsächlich eine Möglichkeit, hier zu schlafen.

Und das erleichterte sie ziemlich. Denn langsam machte sich Erschöpfung in ihr breit.

»Danke«, sagte sie und wollte schon in ihre Tasche greifen, um Simi ein Trinkgeld für ihre Bemühungen zu geben. Dann sah sie allerdings, dass sie selbst dafür nichts übrighatte. Und ihre Kreditkarten funktionierten alle nicht mehr.

»Dann überlasse ich Ihnen Ihr Reich mal wieder«, verabschiedete Simi sich freundlich lächelnd. »Damit Sie sich einrichten können.«

Für sie war hier jetzt wirklich kein Platz mehr. Sie stand auf der Seite der Liegefläche, die direkt vor der kleinen Treppe endete, während Madeleine auf der anderen Seite im hinteren Teil des Wohnwagens gerade noch ein bisschen Raum für ihre Füße hatte.

Mit einem kraftvollen Satz sprang Simi hinaus und Madeleine blieb zurück.

Und wie soll ich jetzt hier wieder rauskommen? fragte sie sich.

Dazu musste sie wohl über die Liegefläche kriechen. Oder das Bett in eine Sitzbank zurückbauen.

Wobei sie nicht wusste, wie das ging. Dazu hätte sie erst einmal erneut diese Simone fragen müssen.

Das sind ja schöne Aussichten, dachte sie grimmig.

Wie sollte das bloß gehen? Wie hatte sie sich einbilden können, dass das hier funktionieren würde?

Aber was hatte sie erwartet, wenn sie von einem 12-Zimmer-Haus in einen Schuhkarton umzog?

Sie wusste nicht, ob sie das bewältigen konnte.

Völlig entkräftet ließ sie sich auf das unerwartet erschienene Bett fallen und tat das, was sie noch nie getan hatte.

Sie weinte.

5

Die Frau war ganz schön komisch, dachte Simi, als sie in ihren Wohnwagen zurückkehrte.

Der Kater hatte gefressen und war verschwunden. Sie bückte sich hinunter und nahm die leeren Schälchen mit in den Wagen, um sie zu spülen.

Oder vielleicht war komisch nicht der richtige Ausdruck, überlegte sie weiter. Diese Madeleine passte einfach nicht auf einen Campingplatz. Das traf es eher. Wusste der Himmel, was sie hierher verschlagen hatte.

Peters Frau war sie jedenfalls nicht, das war schon mal klar. Zumindest wenn sie die Wahrheit gesagt hatte. Aber warum sollte sie nicht?

Vielleicht war sie jemand anderes Frau. Die Frau eines Mannes, der sie verlassen hatte? Oder von dem sie eine Auszeit brauchte? Nach einer langen, unglücklichen Ehe?

Sie lachte über sich selbst, als sie das dachte. Das hättest du wohl gern. Dass sie sich an deiner Brust ausweint.

Aber dafür war diese Madeleine gar nicht der Typ. Sie weinte nicht, wenn ihr etwas nicht passte. Sie schlug um sich. Verlangte nach Dienstboten.

Während sie die Schälchen spülte, schüttelte Simi den Kopf. Wie sie sie, Simi, angeschaut hatte . . . Als wäre sie irgendein Krabbeltier, das sie belästigte. Ein dreckiges Krabbeltier.

Und am liebsten hätte sie sie gleich als Mädchen für alles engagiert. Damit sie nichts selbst tun musste.

Nun ja, sie konnte ja auch nichts. Das musste Simi zugeben. Zumindest nichts, was auf einem Campingplatz nützlich war.

Sie war hier in einem Kostüm angekommen, das so was von Stadt! schrie. Und nicht nur Stadt. Reiche Stadt. Wohlhabende Leute in einer reichen Stadt.

Das Kostüm hatte bestimmt mehr gekostet, als Simi hier auf dem Campingplatz im ganzen Jahr für die Pacht bezahlte. Wenn das überhaupt reichte.

Und die Schuhe . . . Simi fragte sich, wie sie damit überhaupt durch das zugewachsene Buschwerk gekommen war. Der Absatz war wahrscheinlich tief eingesunken, so hoch und dünn, wie er herausstach.

Die Schuhe hatten jedenfalls dreckig ausgesehen. Und zerkratzt von den Brombeerranken. Vermutlich waren sie genauso teuer wie das Kostüm gewesen oder sogar noch teurer. Und jetzt konnte Madame Madeleine sie praktisch wegwerfen.

Ihrer Meinung nach jedenfalls bestimmt. Ärmere Leute hätten vielleicht versucht, sie zu reparieren, aber sie, diese große eingebildete Dame, ganz sicher nicht.

Was tat sie hier? Was wollte sie hier?

Sie war eine gutaussehende Frau Anfang vierzig – soweit man das unter dem Make-up und der teuren Frisur, die sicherlich jede Woche von ihrem Friseur erneuert wurde, erkennen konnte –, eine attraktive Frau mit einem fetten Auto, das sie bestimmt hätte verkaufen können, um monatelang, vielleicht jahrelang davon zu leben oder ihre Miete zu bezahlen.

Falls sie Miete zahlte. Sie sah mehr nach Haus oder einer schicken Eigentumswohnung aus.

Stattdessen kam sie hier an, als hätte sie nichts, wäre auf einen Wohnwagen angewiesen. Was einige Leute auf dem Platz hier tatsächlich waren, aber sie gehörte niemals in diese Kategorie. Allein ihr Schmuck hätte mehr gebracht, als viele hier je in ihrem Leben auf einem Haufen gesehen hatten.

Was wollte sie also hier? Diese Frage stellte sich immer wieder.

Wenn überhaupt, hätte Simi so jemanden wie Madeleine Höriger in einem dieser Superluxuswohnmobile erwartet, die so viel wie ein Haus kosteten. Dafür war hier auf diesem Areal allerdings gar kein Platz. Es war nicht für solche schiffartigen Bomber ausgebaut.

Dennoch – wenn schon, dann hätte sie in so ein Wohnmobil gepasst. Wo sie alles hatte, was sie gewöhnt war. Mehrere Zimmer, Dusche, eingebaute Küche. Obwohl sie die sicherlich nicht brauchte. Sie wirkte nicht wie jemand, der wusste, wie eine Küche von innen aussah.

Aber ganz sicher passte sie nicht in einen über vierzig Jahre alten Kleinwohnwagen aus den Achtzigern, der all diese Bequemlichkeiten nicht hatte. Der für Leute gebaut worden war, die ihn für einen preiswerten Urlaub nutzten, weil sie sich noch nicht einmal ein Hotelzimmer leisten konnten.

Doch trotz all diesem Luxus, den sie ausstrahlte, hatte Madeleine Höriger . . . verletzlich ausgesehen.

Simi wusste nicht, wie sie auf diesen Gedanken kam. Er stand plötzlich in ihrem Kopf, als wäre er an eine Tafel angeschrieben. Wie ein Sonderangebot im Gemüseladen.

Sie hatte etwas von dem Kater gehabt, den Simi versorgte. Keine zerfetzten Ohren und noch beide Augen, statt einem struppigen, löchrigen Fell ein sehr gepflegtes, und doch wirkte sie . . . verloren. Genauso verloren wie er.

Nachdenklich trocknete Simi die Schälchen ab und stellte sie beiseite. Sie musste zugeben, dass eine Frau wie diese Madeleine ihr Rätsel aufgab. Sie konnte sie nicht einordnen.

Und noch weniger konnte sie das Gefühl einordnen, das sie schon im Wohnwagen befallen hatte. Als Simi ihr gezeigt hatte, wie sie die Sitzbank zu einem Bett umbauen konnte.

Sina Kani: Ein Bett im Caravan

1 »Das hast du dir selbst zuzuschreiben.« Madeleine hörte die Worte, aber sie konnte sie kaum...
»Ja, natürlich.« Madeleine nickte. Sie verstand das durchaus. In diesem Fall konnte sie Julianes...
»Das könnte doch dieser Peter sein«, vermutete Simi. »Kommt nach Jahren mal wieder vorbei.« »Nö....
Nachdem ihre Erstarrung sich gelöst hatte, atmete sie erst einmal tief durch. Das konnte alles...
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Als die Liegefläche vor ihr ausgebreitet war, sie auf der einen Seite, Madeleine auf der anderen,...
Im Wohnwagen gab es keinerlei sanitäre Anlagen. Männer verrichteten ihre Notdurft ja wie Hunde...
Endlich trat sie aus ihrem Wohnwagen hinaus und kämpfte sich durch die Büsche die ersten Meter zum...
Sie richtete sich da nach dem alten Sprichwort, dass ein Halm, der sich im Wind beugte, nicht...
Währenddessen hustete Madeleine angestrengt und machte es ihr nicht gerade leichter. Aber zum...
»Ich sehe das anders«, setzte sie deshalb den Satz fort. »Ich faste regelmäßig.« »Mache ich auch...
Unwillkürlich lachte sie über sich selbst. Madeleine lächelnd? Und auch noch einladend? Mal ganz...