Über das Schreiben
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Als die ersten Lesbenkrimis nach Deutschland kamen, in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, war das etwas ganz Besonderes für uns Lesben. In den 70er Jahren gab es nämlich so etwas überhaupt noch nicht, sondern da begann erst einmal die sogenannte „Frauenliteratur“ – zuvor hatte es auch das nicht gegeben –, und die bestand eigentlich nur aus Heterofrauen, die darüber jammerten, dass die Männer sie nicht verstehen. Schon damals dachte ich: Ja, mein Gott, was ist das Problem? Wenn die Männer euch nicht verstehen oder ihr nicht glücklich mit ihnen seid, warum sucht ihr euch dann nicht einfach eine Frau? Aber sag das mal einer Heterofrau. 😂

Natürlich habe ich es auch nicht gesagt, sondern nur gedacht. So schlau war ich auch in jungen Jahren schon, dass ich mir nicht unnötig die Wut einer Heterofrau zuziehen wollte. Die können nämlich ganz schön fies sein. 😚 Und ich war damals auch noch zu jung, um zu verstehen, dass Heterofrauen eben nicht wie wir sind, wie wir Lesben, wie wir normalen Frauen. Denn für mich sieht die Welt selbstverständlich so aus: Wir Lesben sind die normalen Frauen. Heterofrauen sind „die anderen“, die aus meiner Sicht nicht normal sind. Obwohl ich weiß, dass sie die Mehrheit darstellen. Aber was normal ist oder nicht, das ist eben immer sehr subjektiv und geht vom eigenen Erleben aus.

Nun ja, also diese ganze sogenannte „Verständnisliteratur“ von Heterofrauen (ja, sie wollen immer von ihren Männlein verstanden werden, die Hetero-Weibchen, und das, obwohl sie selbst die Männer auch nicht verstehen. Da sollten sie doch eigentlich längst mitgekriegt haben, dass das umgekehrt genauso schwierig ist, aber auf dem Auge sind sie blind und auf dem Ohr sind sie taub), dieses ganze selbstmitleidige Getue, ging mir damals gewaltig auf den Senkel. Ich habe nur noch die Augen verdreht, wenn ich wieder so ein Buch aus einem der „Frauenverlage“ sah, die gefühlt jeden Tag wie Pilze aus dem Boden schossen.

Und verzweifelt nach Büchern gesucht, die sich nicht mit dem ewigen Jammern der Heterofrauen, sondern mal mit uns beschäftigen, mit den Lesben. Mit unseren Wünschen und Problemen, unseren Sehnsüchten, unseren Verständnisschwierigkeiten mit z.B. Heterofrauen, die anscheinend immer erst auf die Idee kommen, dass es auch Lesben gibt und dass man sich auch in eine Frau verlieben könnte, wenn man sie mit der Nase darauf stößt, und das gewaltig. Und die vielleicht sogar noch entsetzt darüber sind – damals war es jedenfalls so –, wenn eine Frau es „wagt“, sich in sie zu verlieben. Als ob das ein Angriff wäre oder eine Beleidigung.

Aber wenn Lesben überhaupt erwähnt wurden, dann nur als so etwas wie eine Krankheit. Und ich rede jetzt von Frauen, von den sogenannten „Frauenverlagen“, für die Lesben aber anscheinend keine Frauen waren, denn sie wurden nicht in das Verlagsprogramm aufgenommen. Sie waren nicht wichtig. So erschien es mir jedenfalls. Wir waren einfach nicht existent.

Und ich bin nicht gerade ein geduldiger Mensch. Also machte mich diese Ignoranz der Heteroverlagsfrauen wütend. Allerdings war ich damals noch zu jung, um viel dagegen tun zu können. Deshalb war ich dann sehr erfreut, als endlich mal Lesbenbücher kamen. Bücher, in denen Lesben zumindest nicht nur als abartig oder „anders“ erwähnt wurden, eventuell sogar als unsympathisch, weil sie es doch tatsächlich wagten, Heterofrauen ihre Zuneigung zu schenken, die das gar nicht wollten, sondern als ganz normale Menschen, die ein ganz normales Leben führen und führen wollen, die sich verlieben und deren Liebe auch erwidert wird.

Das war allerdings meistens nicht das Hauptthema, sondern die ersten Bücher, in denen Lesben tatsächlich eine Rolle spielten, waren Krimis. Die lesbischen Hauptpersonen waren Privatdetektivinnen oder Polizistinnen, die Fälle untersuchten, dabei vielleicht eine Frau kennenlernten, in die sie sich verliebten, und dann gab es eben auch ein bisschen Sex. Ein paar Zeilen meistens nur, aber wir waren damals wirklich ausgehungert. 😎

Also ist das Wort „Lesbenkrimi“ für mich extrem positiv besetzt. Die Lesbenkrimis haben uns in den 80ern sozusagen das Leben gerettet. 😉 Aber immer wieder höre ich, dass es für andere Lesben nicht so ist. So gibt es tatsächlich Leserinnen, die jedes, aber auch jedes, meiner Bücher gelesen haben, und das sogar mehrfach, nur nicht . . . meine Krimis. Warum ist das so? Sind meine Krimis – die ja immer auch eine meist sehr intensive Liebesgeschichte enthalten – schlechter geschrieben als meine Liebesromane? Glaube ich eigentlich nicht.

Das heißt also, ich habe Fans, die meine Art zu schreiben lieben, die jedes neue Buch von mir sofort lesen, aber wenn ich einen Krimi schreibe, dann lesen sie das nicht. Obwohl das genauso in meiner Art zu schreiben geschrieben ist und genauso auch eine Liebesgeschichte enthält wie meine anderen Bücher. Ich denke, meine Krimis sind eigentlich gar keine richtigen Krimis, es sind Liebesgeschichten mit ein bisschen Krimi dabei. Der Krimi tritt gegenüber der Liebesgeschichte total in den Hintergrund. Aber das reicht nicht. Wenn es auch nur nach Krimi riecht, wird es nicht gelesen. Komisch finde ich das.

Und jetzt bei „Von der Lust geblendet“ ist es wieder genauso. Es gibt einige Leserinnen, die das gern lesen, aber viele verfolgen die Veröffentlichung auf der Webseite wahrscheinlich jetzt gar nicht, weil . . . ist ja ein Krimi.

Aber ist es wirklich ein Krimi? Wirklich?

Was kommt zum Beispiel in Kapitel 1 vor? Okay, jemand ist ermordet worden, und die beiden Polizistinnen Ker und Marita sollen den Fall untersuchen. Das ist der Ausgangspunkt. Aber der Ausgangspunkt wofür? Für einen Krimi? Das kann schon mal gar nicht sein, weil es schon eine geständige Täterin gibt. Es muss also gar nicht mehr untersucht werden, wer es getan hat, das steht schon fest. Die Täterin ist eine schöne junge Frau, in die sich eine der Kommissarinnen, Ker, verliebt.

Verliebt ist zu wenig gesagt, Ker verfällt Adriane, das ist die richtige Beschreibung, deshalb auch der Titel des Buches. Die Tat, die Ker untersuchen soll, ist also nur der Anlass, damit sie Adriane kennenlernt und ihr verfallen kann. Nichts anderes als in einem anderen Buch beispielsweise ein Autounfall, durch den die beiden Hauptdarstellerinnen sich kennenlernen, oder eine Begegnung im Supermarkt, bei der sie zusammenstoßen oder etwas Ähnliches. Trotzdem scheint für einige Leserinnen die Erwähnung einer Straftat als Anlass des Kennenlernens schon auszureichen, dass sie das Buch nicht mehr lesen wollen.

Deshalb sage ich jetzt mal ganz eindeutig: „Von der Lust geblendet“ ist kein Krimi. Ja, es wird eine Tat untersucht, aber was passiert tatsächlich? Ker ist eigentlich ständig mit nasser Hose unterwegs 😏, sobald sie nur an Adriane denkt. Geschweige denn, wenn sie dann – was relativ schnell passiert – mit ihr im Bett liegt. Adriane ist die Versuchung in Person für sie. Und für viele andere. Das weiß Adriane auch, und das setzt sie auch ein. Ker verschwendet ihre Liebe an die falsche Person, merkt es aber nicht.

Gleichzeitig taucht jedoch eine Privatdetektivin auf, die in der Tat Interesse an Ker hat, die Ker aber immer wieder quasi übersieht, ihr Interesse jedenfalls. Obwohl diese Frau viel mehr mit Ker gemeinsam hat als Adriane. 

Das Buch dreht sich also nicht um die Aufklärung eines Tötungsdelikts, von dem man am Anfang nicht weiß, ob es ein Unfall, Notwehr oder Mord war, sondern es dreht sich um die Liebe. Die Lieber zweier Frauen, Ker und Sam, die wie die Königskinder zuerst einmal nicht zusammenkommen können, weil der tiefe Graben Adriane zwischen ihnen liegt und sie trennt. Ein ganz normaler Liebesroman also, eine Art Dreiergeschichte, bei der nur zwei übrigbleiben können.

Aber wird Ker ihre Besessenheit für Adriane überwinden können und erkennen, dass Sam sie liebt? Das ist die Frage. 😎 Ich könnte es natürlich auch so enden lassen, dass keine von beiden Ker bekommt, sondern alle zum Schluss noch Single sind. Wäre auch eine Möglichkeit.

Am liebsten hätte ich ja, dass das die Leserinnen entscheiden. Also was denkt Ihr? Krimi oder Liebesroman? Adriane oder Sam? Denn theoretisch könnte sich ja auch Adriane verändern und sich tatsächlich in Ker verlieben. Ist unwahrscheinlich, aber selbst die unwahrscheinlichsten Dinge sind nicht unmöglich.

Und – dritte Möglichkeit – es könnte auch offen enden. Ker bleibt allein zurück. Sam auch. Adriane heiratet die nächste reiche Frau. 😄