Gedanken
Ruth Gogoll und andere Autorinnen schreiben über Themen, die sie bewegen.

Ich finde das sehr interessant mit dieser „menschlichen Pandemie“. Vor allem beruflich habe ich auch immer wieder mit Leuten zu tun, bei denen ich mich frage, warum sie das tun, was sie tun. Warum sie nicht aufhören können, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen und andere auch noch niederzumachen. Als ob sie sich nur dann wohlfühlen würden, wenn sie möglichst viele andere Menschen unglücklich machen können.

Das kann ich mir persönlich nicht so richtig erklären, denn ich freue mich gern mit anderen Menschen mit. Es bringt mir überhaupt nichts, jemand anderen fertigzumachen. Erstens kann ich das gar nicht, und zweitens mag ich es auch nicht. Ich käme mir dann wie ein Charakterschwein vor. Diese Menschen aber nicht. Die grinsen sogar noch zufrieden, wenn jemand dasteht und heult. Meinen sogar vielleicht noch herablassend „Ach, sei doch nicht so empfindlich“ oder „Verstehst du denn keinen Spaß?“ Wie kann ein Mensch so sein?

Was aber fast noch viel schlimmer ist, das sind die Menschen, die solche „Bullys“ auch noch unterstützen. Manchmal habe ich das Gefühl, wenn es diese Menschen nicht gäbe, hätten es die „Charakterschweine“ viel schwerer und könnten andere Leute nicht so leicht fertigmachen.

Ist das denn noch normal? frage ich mich da manchmal. Warum unterstützen sich die Menschen nicht gegenseitig, statt den zu unterstützen, der die Leute fertigmacht? Aber wenn man das mal fragt, bekommt man keine Antwort. Oder auch nur ein schiefes Grinsen, als ob das eine ganz blöde Frage wäre. Dabei finde ich, es ist eine sehr naheliegende Frage.

Es wird doch immer wieder gesagt, wir Menschen sind Herdentiere. Wir brauchen andere Menschen, damit wir überhaupt überleben können. Allein sind wir schwach, in der Gruppe sind wir stark. Wenn man jedoch Leute aus der eigenen Gruppe fertigmacht, wird die ganze Gruppe schwächer statt stärker. Das ist überhaupt nicht sinnvoll. Aus meiner Sicht jedenfalls.

Aus der Sicht dieser Leute heraus offensichtlich nicht. Das habe ich oft bemerkt. Sie machen nicht nur einzelne Menschen, sondern oft auch die ganze Gruppe kaputt, ohne sich darüber Gedanken zu machen. Und trotzdem gibt es Leute in dieser Gruppe, die die Gruppe brauchen, aber noch dabei mithelfen, sie zu zerstören. Nachher wird dann oft gejammert, aber dann ist es zu spät.

Deshalb gibt es glaube ich diesen Spruch „Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere“. Denn obwohl manche Menschen sich wie Raubtiere verhalten, übernehmen sie dennoch nicht das soziale Verhalten, das sogar Raubtiere haben. Ganz zu schweigen von Herdentieren, die normalerweise wissen, dass sie ohne die Herde nicht überleben können. Für jedes Herdentier wäre es absolut fatal, wenn die Herde nicht zueinandersteht. Sobald eine Bedrohung aufkommt, rückt die Herde sogar noch enger zusammen, bildet einen einzigen Block gegen die Bedrohung.

Eine Elefantenherde beispielsweise drückt die kleinen Elefanten in die Mitte, und alle Erwachsenen stellen sich drumherum mit den Stoßzähnen nach außen, um die Bedrohung abzuwehren. Bei diesen Menschen, die eine Bedrohung durch einen Bully von außen auch noch unterstützen, habe ich das Gefühl, sie wenden ihre Stoßzähne nach innen auf die eigenen Familienmitglieder oder Gruppenmitglieder, um sie zu zerfleischen. Dabei vergessen sie glaube ich aber, dass dadurch ihre eigenen verletzlichen Hinterteile der Bedrohung ausgesetzt werden.

Denn Bullys kennen keine Solidarität, das habe ich oft miterlebt. Sie denken nur an sich selbst. Wenn also jemand, der sie unterstützt hat, ihnen plötzlich dann entbehrlich erscheint, ist er derjenige, der ihren Attacken zum Opfer fällt. Was haben diese Leute also davon, so einen Bully zu unterstützen?

Da kann ich nur den Kopf schütteln. Das werde ich nie verstehen.