Gedanken
Ruth Gogoll und andere Autorinnen schreiben über Themen, die sie bewegen.

Seit Anfang des Jahres habe ich ein paar Artikel auf meiner Webseite Natürlich schlank geschrieben, weshalb ich hier nicht so viel schreiben konnte, denn ich muss ja auch noch hin und wieder ein Buch schreiben. 😉 Aber das Narzissmus-Thema interessiert mich auch enorm, denn eigentlich sind das beides Themen, die immer mehr Leute betreffen.

Interessanterweise wird beides auch ungefähr gleich falsch betrachtet. Wenn jemand Übergewicht hat, wird ihm oder ihr daran persönlich die Schuld in die Schuhe geschoben, obwohl die Schuld bei der Regierung und der Industrie liegt, die uns vormachen, sie wollten etwas Gutes für uns tun, uns dabei aber nur belügen. Und das seit Jahrzehnten. (Nein, ich würde das nicht auf alles ausdehnen. Ich trage eine Maske, desinfiziere mir die Hände und verhalte mich den Regeln entsprechend. Und das ist auch notwendig, denn den Virus gibt es wirklich. Das ist kein Fake. Jeder, der das nicht glaubt, kann gern mal ins Krankenhaus gehen und sich die armen Leute ansehen, die selbst unter ihren Beatmungsgeräten fast noch ersticken).

Bei Narzissmus ist es ähnlich. Man sieht die Auswirkungen nur nicht so direkt wie bei Übergewicht und Diabetes, wenn Leuten die Füße abfaulen und amputiert werden müssen o.ä. Narzissmus ist ein leiser Missbrauch, den viele zudem auch noch leugnen. Ich habe mich viel mit Kristin darüber unterhalten, und wenn ich manchmal höre, was ihre Patientinnen und Patienten ihr in ihrer Praxis alles erzählen, dann könnte ich fast weinen.

Trotzdem wird auch hier – genauso wie bei Übergewicht und Diabetes 2 – gern dem Opfer die Schuld zugewiesen. Ich weiß nicht, wo die Schuld bei einem kleinen Kind sein soll, aber das wird dann wohl einfach ausgeblendet. Bei einem erwachsenen Menschen jedoch verstehen viele nicht, was hinter geschlossenen Türen vor sich geht. Und wollen es auch nicht verstehen, habe ich manchmal den Eindruck. Vielleicht können sie es aber auch einfach nur nicht verstehen.

Es ist für viele, die noch nie damit zu tun hatten, allerdings manchmal auch wirklich nicht nachvollziehbar, denn Narzissten sind in der Tat die besten Schauspieler, die besten Chamäleons, die es gibt. Wenn sie ihre Lügen erzählen, wirken sie oft so ehrlich, dass man selbst dann ins Schwanken kommt, wenn man eigentlich schon weiß, dass man es mit einem Narzissten oder einer Narzisstin zu tun hat. Früher wusste ich das überhaupt nicht, aber mittlerweile erkenne ich es besser, und ich frage mich jedes Mal, wie diese Leute mit so gut wie allem davonkommen. Aber so ist es. Das ist eine Tatsache.

Die Opfer hingegen werden oft so behandelt, als wären sie die Lügner, weil das, was sie erzählen, sich so unglaubwürdig anhört. Weil es sich manchmal so anhört wie ein kleines Kind, das sich darüber beklagt, dass seine Eltern ihm keine Schokolade geben wollen.

Das ist die Folge der ausgeklügelten Strategie der Narzissten, die alles immer wieder so drehen können, als ob der andere schuld wäre, niemals aber sie selbst. Obwohl sie es ganz allein waren, die den Karren in den Dreck gefahren haben. Aber zum Schluss hatten sie nie etwas damit zu tun, nur andere.

Und das fast Wahnsinnige daran ist, dass sie das so überzeugend rüberbringen können, dass Leute, die nicht an der ganzen Sache beteiligt waren, die nicht dabei waren, als der Narzisst sein Opfer fertiggemacht hat, dann das Opfer an den Pranger stellen und den Narzissten oder die Narzisstin noch in Schutz nehmen. Dass Außenstehende dann oft meinen, das Opfer hätte sich das selbst zuzuschreiben oder hätte durch sein eigenes Handeln das Ganze sogar ausgelöst.

Wirklich ein Teufelskreis. Denn wenn man die Wahrheit sagt, empfinden andere eine wie ein kleines knatschiges Kind, wenn man sich aber nicht beklagt, leidet man endlos und auch noch stumm. Opfer, die sich dann endlich dazu durchringen, den Narzissten oder die Narzisstin (was oft auch die eigene Mutter sein kann) zu verlassen, werden in vielen Fällen als undankbar oder als Menschen mit einem schlechten Charakter bezeichnet und dafür auch noch mit Verachtung gestraft. Obwohl es genau umgekehrt ist und sie wahrscheinlich schon länger als überhaupt erträglich ausgehalten haben. Meistens auch versucht haben, die Situation zu verbessern oder den Narzissten oder die Narzisstin zur Einsicht zu bringen.

Das ist jedoch unmöglich. Das kann ich aus eigener Erfahrung mit dem einen oder anderen narzisstischen Menschen bestätigen. Wenn man die Hoffnung hat, es würde sich je etwas an der Situation ändern, hofft man vergeblich. Das Beste ist, so schnell wie möglich zu gehen.

Aber ich habe das oft nicht getan, weil ich damals noch gar nicht wusste, dass es so etwas wie Narzissmus gibt. Ich kannte das Wort, ja, aber mehr auch nicht. Ich dachte, ich wäre schuld, wenn etwas nicht klappt. Ich wollte einfach nicht dem anderen die Schuld zuschieben, schon gar nicht allein. So ein Mensch bin ich nicht.

Bei Narzissten ist das aber unbedingt nötig, wie meine Erfahrung dann gezeigt hat. Normalerweise sagt man, zum Scheitern einer Beziehung gehören immer zwei, bei Narzissten trifft das nicht zu. Da reicht einer.

Das ist aber etwas, das die meisten Menschen nicht wahrhaben wollen. Vielleicht weil wir alle die Hoffnung nicht aufgeben wollen, dass es solche bösen Menschen gar nicht gibt, dass das alles nur Missverständnisse sind. Denn wenn wir diese Hoffnung aufgeben würden, könnten wir ja auch einmal einem Narzissten oder einer Narzisstin zum Opfer fallen. Und für so dumm halten wir uns nicht.

Sind wir auch nicht. Aber das hat nichts mit Dummheit zu tun, nur mit Gefühlen. Narzissten und Narzisstinnen können sehr charmant sein, und wenn wir uns dann einmal in sie verliebt haben, dann ist es zu spät. Dann gehen wir wahrscheinlich nicht so schnell, wie wir gehen sollten.

Deshalb ist es gut, die Zeichen frühzeitig zu erkennen. Was zwar nicht einfach ist, aber wenn man Narzissten ein paar Tage oder Wochen Zeit gibt, entlarven sie sich immer. Sie können gar nicht anders, weil sie nun einmal so sind, wie sie sind. Und weil sie sich selbst nicht so sehen. Sie halten sich selbst oft für gute Menschen.

So kann man sich vor Narzissmus nur schützen, indem man aufmerksam bleibt. Indem man wie ein Scanner alle verdächtigen Zeichen abtastet. Nicht im Übermaß misstrauisch, aber mit einer gesunden Skepsis. Das könnte helfen. 🙂

 

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