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Die L-Mag bat mich kürzlich um ein Interview zum Thema Romantik. Da es ein schriftliches Interview war, wurde meine Antwort ziemlich lang, aber wie das bei Zeitungen immer so ist: Sie kürzen eine Menge weg, so dass nur noch wenige Sätze übrig bleiben. Ich fand es aber zu schade, das Ganze so einfach hinten runterfallen zu lassen, und deshalb veröffentliche ich jetzt hier den Originaltext, den ich geschrieben habe, für alle, die das interessiert.

Wenn ich liebe, seh ich Sterne.
Ist’s getan, seh ich den Mond.
Ach, es war nur die Laterne! –
Trotzdem hat es sich gelohnt.

(Julie Schrader)

Das ist der Kern der Romantik. 😉 Romantik ist eigentlich nur Illusion, aber was wären wir ohne sie?

Als ich Literaturwissenschaft studierte, lernte ich, dass Romantik eine fest umrissene Epoche sei, was mich immer irritiert hat. Für mich war Romantik ein fester Bestandteil meines Lebens, auch wenn die Epoche längst passé war.

Später dann suchte ich nach Geschichten, um dieses romantische Bedürfnis zu befriedigen, und es gab natürlich eine Menge. Bücher, Filme, Musik – nur leider bezog sich das alles auf heterosexuelle Beziehungen. In den Büchern und Filmen verliebten sich Männer in Frauen und Frauen in Männer, und in den Liedern im Radio war es ebenso.

Da ich schon früh merkte, dass ich romantische Gefühle für Mädchen hatte, nicht aber für Jungs, fehlte mir etwas. Leider brachte auch eine intensivere Suche nicht viel zutage. Ich war frustriert. War romantische Liebe denn nur Heteros erlaubt?

Das Programm der Frauenverlage, die dann in den 70er Jahren gegründet wurden, ließ mich leider auch im Stich. Dort ging es zwar manchmal – selten – um Lesben, aber niemals im Zusammenhang mit Liebe und Romantik.

So verbrachte ich dann viele Jahre in der romantischen Diaspora, hielt mich mit Hetero-Liebesfilmen über Wasser, indem ich mir vorstellte, der Mann wäre eine Frau. Auch manche Bücher waren dafür geeignet, und bei romantischen Popsongs wird ja oft ohnehin nur von einem nicht näher bezeichneten „Du“ gesprochen.

Das befriedigte mich jedoch auf Dauer nicht wirklich, und je älter ich wurde, desto mehr ärgerte ich mich, dass ich mich nicht einfach mal bei einem lesbischen Liebesroman entspannen durfte, denn solche gab es nicht.

Der weitere Verlauf der Geschichte ist bekannt: Ich schrieb „Taxi nach Paris“, und das Buch wurde zum größten lesbischen Bestseller aller Zeiten. Was bedeutete: Ich war nicht die einzige Lesbe, die sich nach Romantik sehnte.

Da ich nicht nur ungeheuer gern lese, sondern auch ungeheuer gern schreibe, dachte ich mir, ich kann ja noch ein paar weitere Bücher schreiben, denn ich wurde ständig gefragt, ob es nicht mehr davon gebe. Der Bedarf für solche Geschichten war anscheinend gewaltig.

Ich hatte den el!es-Verlag gegründet, um diese Lücke zu füllen, und es stellte sich heraus, dass die Lücke größer war als erwartet.

Liebesromane sind die meistverkaufte Literatur auf der ganzen Welt. Bis zu 85% der weltweit verkauften Literatur sind Liebesromane. Bis ich el!es gründete, waren es allerdings fast ausschließlich Heteroliebesromane. Natürlich ist auch jetzt noch der Anteil lesbischer Liebesromane gering verglichen mit der überwältigenden Produktivität der Autorinnen für den Heteromarkt, aber zumindest findet eine Lesbe heutzutage etwas, wenn sie einmal das Bedürfnis nach Romantik hat.

 

Frage: Ist das Bedürfnis nach Romantik ein allgemein menschliches Bedürfnis?

Das Bedürfnis nach Romantik ist meines Erachtens ein Urbedürfnis, das die meisten Menschen haben. Frauen mehr als Männer, wenn man sieht, dass Liebesromane zum überwiegenden Teil von Frauen gelesen werden, aber ich denke, Männer finden einfach andere Dinge romantisch als Frauen. Kaum eine (Hetero-)Frau findet Autos romantisch. Männer schon. Sie können sich regelrecht in ein schönes Auto verlieben.

Das grundsätzliche Bedürfnis nach Romantik hat sicherlich etwas mit unseren Genen zu tun, mit unserem von der Natur gegebenen Auftrag, uns zu vermehren. Fortpflanzung ist es, worum sich alles dreht. Wir suchen einen Menschen, mit dem wir genetisch gut zusammenpassen, so dass gesunde Kinder bei einer Paarung herauskommen.

Geht natürlich nur bei Heteros, aber leider berücksichtigt das die Natur nicht. Auch Lesben und Schwule suchen ihr „significant other“, auch wenn eine Fortpflanzung zweier Menschen desselben Geschlechts nicht möglich ist.

Romantik ist nun ein Teil dieses Fortpflanzungsrituals. Prosaisch, ja, ich weiß, aber so ist es nun einmal. Klar geht Fortpflanzung auch ohne Romantik, aber mit Romantik ist es schöner. Und alles, was schöner ist, machen wir öfter. 😉

Frauen, die naturgemäß für die Kinder zuständig sind, weil sie sie bekommen, sind mehr daran interessiert, denn für sie ist es wichtiger, für die „Produktion“ ihrer Kinder genau den richtigen Partner zu finden. Männer sind von der Natur eher dazu angehalten, ihren Samen so oft wie möglich an die verschiedensten Frauen zu verteilen. Das bringt mehr Fortpflanzungserfolg, als wenn ein Mann sich auf eine einzige Frau beschränken würde.

Bei Lesben ist das alles natürlich obsolet, aber auch hier gibt es Unterschiede in der Rezeption von Romantik. Lesben, die eher männlich geprägt sind, verhalten sich oft nicht so romantisch wie Lesben, die eher weiblich geprägt sind. Anscheinend haben wir darauf ebenso wenig einen Einfluss wie Männer, die sich wie Männer verhalten, und Frauen, die sich wie Frauen verhalten.

Deshalb gibt es sicherlich in der Lesbenwelt einige – viele – „Kerle“, die nicht so auf Romantik stehen. Die meisten Lesben sind jedoch vor allem in erster Linie Frauen und haben die entsprechenden Bedürfnisse.

 

Frage: Hat sich die Nachfrage nach romantischen Plots in den letzten Jahrzehnten verändert?

Die Nachfrage ist immer dieselbe. Die Plots haben sich insofern geändert, als die ersten Lesbenbücher von ganz anderen sozialen und persönlichen Verhältnissen geprägt waren. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts, noch vor dem 1. Weltkrieg, konnte eine Frau nicht einfach selbstbestimmt leben.

Ob eine Frau lesbisch war oder nicht, hatte im Prinzip keine Bedeutung, sie wurde auf jeden Fall mit einem Mann verheiratet. Und wenn sie keinen Mann fand oder hatte, war sie ein Mensch zweiter Klasse, weil eine Frau allein keinen Wert besaß, auch keine Berufsausbildung machen konnte oder selbst Geld verdienen konnte.

Selbst das Geld reicher Erbinnen ging bei ihrer Heirat an ihren Mann über, so dass sie nicht einmal darüber verfügen konnten. Es gab keine Frauen, die allein lebten, das war undenkbar. Wenn man so etwas versuchte, wurde man eventuell sogar in ein Irrenhaus gesteckt, weil das nicht dem entsprach, wie eine Frau zu sein hatte, also war sie wohl verrückt.

Die einzige „Chance“ war, irgendwo innerhalb der Familie als „alte Jungfer“ akzeptiert zu werden, allerdings auch ohne jegliches Selbstbestimmungsrecht. Oder in ein Kloster zu gehen.

Frauen, die sich dann in eine Frau verliebten, waren also normalerweise mit einem Mann verheiratet, hatten Sex mit ihm, wenn auch ohne jedes Vergnügen, und hatten meistens auch Kinder, und das bereits schon sehr jung.

Die Frauen konnten sich nicht einfach füreinander entscheiden, ihre Männer verlassen und einen eigenen Hausstand gründen. Außerdem gab es kein soziales Netz, in dem man andere Lesben hätte kennenlernen können. Man wusste nichts darüber, dass es andere Frauen gab, die ebenso empfanden wie man selbst.

Da Frauen generell damals wenig Spaß an Sex hatten und die Männer schlechte Liebhaber waren, war die allgemeine Unzufriedenheit oder Frustration der Frauen in dieser Beziehung wohl nicht nur Lesben vorbehalten, auch die meisten Heterofrauen waren körperlich vom Sex mit einem Mann unbefriedigt oder sogar angewidert. So wusste eine Lesbe noch nicht einmal, dass sie anders war, wenn sie ähnliches auch von anderen Frauen hörte. Sex war eben etwas für Männer, nicht für Frauen. Dafür hatten die Frauen ja dann die Kinder. Das war ihre Belohnung, für die sie den ekelhaften Sex ertrugen.

Dennoch wurden Anfang des 20. Jahrhunderts sich einige Lesben ihrer selbst bewusst. Nur waren die Plots der Bücher entsprechend. Sie endeten unglücklich oder im Irrenhaus, denn andere Optionen gab es für eine Lesbe nicht. Die Frauen hatten keine andere Wahl, als sich trotz ihrer Liebe zu einer Frau für die Ehe mit ihrem Mann zu entscheiden, weil sie sonst kein Leben mehr gehabt hätten, keine Kinder, keine Stellung in Familie oder Gesellschaft, kein Geld.

Diese tragischen Bücher waren die ersten, die ich auf meiner Suche nach Lesbenliteratur fand, und sie machten mich wütend. Denn das bedeutete, dass ich als Lesbe kein Anrecht auf Glück hatte, kein Anrecht auf eine erfüllte Beziehung, kein Anrecht auf Liebe. Obwohl ich ein sehr netter und liebevoller Mensch bin. Ich wollte Liebe geben und natürlich auch empfangen. Aber anscheinend hatte ich kein Recht dazu, nur weil diese Liebe sich auf eine Frau richtete und nicht auf einen Mann.

Die Plots der ersten Bücher in den 70er Jahren waren dann eigentlich nur auf eins gerichtet: Coming-Out. Nicht Lesbe suchte und fand Lesbe, sondern Frauen, die jahrzehntelang in Beziehungen mit Männern gelebt hatten, wurden sich plötzlich dessen bewusst, dass sie eigentlich mit einer Frau leben wollten.

Das war auch nicht das, was ich gesucht hatte, denn ich wollte nie mit einem Mann zusammenleben und war auch nie mit einem Mann zusammen. Mir war immer klar, dass ich eine Frau wollte.

Aber da es nur diese Coming-Out-Bücher gab, las ich sie natürlich auch. Wenigstens etwas. So sehr befriedigend war das aber nicht, denn der Großteil dieser Bücher beschäftigte sich nicht mit einer lesbischen Beziehung, sondern mit dem Lösen von einer Heterobeziehung. Das interessierte mich nicht wirklich, denn das Problem hatte ich nie gehabt.

So schrieb ich dann wie gesagt „Taxi“, um endlich einmal ein Buch zu haben, in dem es nicht um Männer ging, nicht um das Lösen aus einer Heteroidentität und die Überraschung, plötzlich lesbisch zu sein, sondern darum, dass Frauen, die immer schon wussten, dass sie lesbisch sind, sich ineinander verlieben.

Dadurch veränderten sich die Plots gewaltig. Denn nun begann die Geschichte da, wo es interessant wird: Wenn die Frauen sich kennenlernten und verliebten und dann mit denselben Problemen zu kämpfen hatten wie Heteropaare, ohne dass sie ihre lesbische Identität in Frage stellten.

Einfach nur Liebe (und Sex), das war damals etwas völlig Neues in der Lesbenliteratur. Seither hat el!es natürlich die weitere Lesbenliteratur geprägt, und glücklicherweise sind heute lesbische Liebesromane mit Happy End nichts Besonderes mehr, sondern die jungen Lesben erwarten das, wissen wohl gar nicht, dass es einmal anders war.

Und das ist gut so. 😉

 

Frage: Was ist mit Kitsch und Klischees?

Kitsch und Klischees – ja, die Fragen kommen immer wieder. Und ich kann dazu nur sagen: Was ist schlimm an Kitsch und Klischees? Ich finde nichts Schlimmes daran. Beides gehört zum Leben und beides ist Teil des Lebens. Klischees bilden die Wirklichkeit ab, sind aus der Wirklichkeit geboren. Manchmal sind sie übertrieben, manchmal aber auch nicht. Kitsch ist nur eine Frage der Wahrnehmung. Was die eine als Kitsch empfindet, ist für die andere Romantik. Da kann man schwer eine klare Grenze ziehen.

 

Frage: Ist es Ihnen wichtig, dass Ihre Bücher Liebesszenen enthalten, die allgemein als romantisch gelten (Sonnenuntergänge, Kerzenschein, rote Rosen, Picknicks im Freien)?

Das ist mir völlig wurscht. 😉 Hauptsache, es ist romantisch. Und das hängt nicht von Sonnenuntergang o.ä. ab, sondern von dem Talent der Autorin, Romantik rüberzubringen.

Oftmals können Gespräche sehr romantisch sein, eine sehr prickelnde Atmosphäre erzeugen. Selbst wenn sie in einer Großkonzernkantine stattfinden oder der sterilen Atmosphäre eines Krankenhauses.

Wichtig ist, dass man weiß, was Romantik ist. Dass man das Gefühl kennt. Und dieses Gefühl zu Papier bringen kann.

Genauso ist es mit Sex. Eine Sexszene, in der es nur um Sex geht, ist sinnlos. Eine Szene, in der Sex stattfindet, sollte immer dazu beitragen, die Figuren besser kennenzulernen, die Geschichte voranzubringen. Sonst kann man solche Szenen auch gleich lassen. Dann habe ich lieber ein Buch ohne Sex (nicht ohne Erotik. Das ist ein Unterschied. Erotik kann aber sehr gut ohne Sex transportiert werden, und wenn eine Autorin das kann, ist sie richtig gut), nur mit Romantik. Das ist eindeutig das Wichtigere.

 

Frage: Haben ebooks die Nachfrage verändert?

Ebooks gab es bei el!es immer schon, wir hatten schon ebooks, als das noch gar kein Thema bei den anderen Verlagen war. Allerdings werden jetzt mehr ebooks verkauft, seit auch die großen Onlinehändler diesen Markt beliefern und die Formate immer lesefreundlicher werden.

Die Nachfrage nach romantischen Geschichten wird es immer geben. Warum sollte das aufhören? Unsere Gefühle hören ja auch nicht einfach auf. Und solange es diese Gefühle gibt und das Bedürfnis, sie zu befriedigen, wird es romantische Geschichten geben.

Manchmal denke ich, gerade, wenn die Welt immer kälter wird, wenn Menschen sich mehr über soziale Netzwerke unterhalten als sich persönlich zu treffen, wird der Bedarf für solche Geschichten größer.

Wir haben ein Bedürfnis nach Wärme, nach Gemeinsamkeit, nach sozialem Leben. Dieses Bedürfnis wird aber immer mehr negiert. Mit jemandem über das Internet zu chatten verweigert es mir, diese Person zu riechen, zu fühlen, zu berühren.

Viele Menschen sind heute mehr allein als früher. Und dann sind solche Geschichten fast wie ein Ersatz für Familie und soziale Kontakte.

Wenn eine Autorin romantische Gefühle in mir weckt, kann mir das zwar nicht die Berührung eines echten Menschen ersetzen, aber ich kann es mir vorstellen und daraus sehr viel Trost und Liebe ziehen.

Deshalb wird die Nachfrage nach solchen Geschichten sogar immer mehr statt weniger. Und dass es ebooks gibt ist ein großes Glück, denn dadurch können die Geschichten in der ganzen Welt verbreitet werden.

Liebe ohne Grenzen sozusagen.

Es ist ein schönes Gefühl, wenn ich so darüber nachdenke. 😀