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»Wenn ich eine Frau liebe, dann tu’ ich alles für sie«

Wie ein Blitz schlug ihr erstes Buch in Deutschland ein und mittlerweile stürmte «Taxi nach Paris» bestimmt auch in der Schweiz die Bestsellerliste, würde es denn eine geben für lesbische Unterhaltungsliteratur. Und wenn sich derzeit viele über den verregneten Sommer ärgern, so könnte dieser durchaus auch seine schönen Folgen haben. Wer weiss, vielleicht finden wir sie nächstes Jahr auf dem Bücherregal . . . So ähnlich ging es jedenfalls mit «Taxi nach Paris». Die die traf die Autorin Ruth Gogoll zu einem Gespräch über sich, ihre Arbeit, ihr Schreiben und ihren Verlag.

Als sich Ruth Gogoll vor vier Jahren im Urlaub in einem Frauenhaus in Frankreich aufgrund des schlechten Wetters derart erkältete, dass ihr nichts anderes mehr übrig blieb, als im Bett sämtliche Lesbenkrimis und sonstigen dort rumstehenden Bücher zu lesen, fiel ihr Verschiedenes auf. Erstens gab es eindeutig zuwenig davon, zweitens schon gar nicht von deutschen Autorinnen und drittens kam die Erotik massiv zu kurz. Wieder zu Hause befragte sie ihre Freundinnen nach diesen Aspekten – alle stimmten ihr zu, und Ruth Gogoll kam auf die Idee, es doch einmal selbst zu versuchen.

«Ich habe mir gesagt, gut, nicht jede kann so ein Buch schreiben, aber du kannst das doch. Seit meinem zehnten Lebensjahr habe ich immer schon geschrieben. Damals hab’ ich angefangen mit Gedichten und Texten, die mein Leben reflektierten. Vom Streit mit der Mutter bis zur Liebesgeschichte, alles sehr abstrakt und wenig unterhaltsam. Wie man einen Unterhaltungsroman schreibt, hatte ich keine Ahnung, aber schliesslich war ich Germanistin. So habe ich die Bücher genommen, die mir gefielen, sie analysiert und begonnen, am Computer Schreibübungen zu machen.»

Und bei diesen Übungen gab es plötzlich eine Szene, wo bei Ermittlungen auf der Strasse eine Prostituierte auftauchte. In der Geschichte hatte sie weiter nichts verloren und verschwand auch gleich wieder, aber Ruth Gogoll liess sie nicht mehr los. Ihr ist – sie weiss heute noch nicht wie – die erste Szene aus «Taxi nach Paris» eingefallen und weil sie die ja sicher irgendwann noch brauchen konnte, hat sie eine neue Datei geöffnet und die Szene aufgeschrieben. Als sie darauf wieder zum alten Text zurückkehren wollte, blieben ihre Gedanken an der Prostituierten hängen, sie fragte sich, wie es weitergehen könnte, wurde neugierig und begann, ein bisschen weiterzuschreiben. Die Prostituierte und ihre Kundin fingen an, eine Beziehung miteinander zu haben, und die Autorin konnte nicht mehr aufhören, sah sich vom eigenen Text gefangengehalten. Fast täglich hat sie ein Kapitel geschrieben, ist nach Hause gekommen, und ihre Freundin hat es ihr aus den Händen gerissen. Alle, die es lasen, waren begeistert, hätten es am liebsten sofort gedruckt gehabt, doch Ruth Gogoll fand einfach keinen Schluss. Und da sie zu der Zeit auch beruflich viel zu tun hatte, hat sie den Text fürs erste weggelegt. Als sie ihn nach zwei Jahren aus der Schublade holte und nochmals las, war sie selbst ganz schön begeistert davon und hat ihn halt ohne Ende an die Verlage losgeschickt.

Das Feedback der Frauenverlage war grösstenteils negativ, da die meisten lesbischen Verlegerinnen zum Ziel haben, ein politisches, feministisches Programm zu machen. Sie möchten die Frau erziehen, die Lesbe politisch bewusst machen. Unterhaltung scheint dort in Form eines Krimis reinzupassen, Erotik hingegen ist weitgehend tabu. Eine Verlegerin hat Ruth Gogoll gleichwohl angerufen, worauf diese so glücklich war, dass sie sich gleich hi-setzte, den ganzen Text überarbeitete und auch einen Schluss dazu schrieb. Inzwischen hatte es sich die Verlegerin jedoch anders überlegt, mit der Folge, dass Ruth Gogoll schliesslich auch von ihr eine Absage erhielt.

Nach wie vor vom Bedürfnis nach ihrem Buch überzeugt und ungläubig, gerade nur die Frauen zu kennen, die so was mögen, beschloss Ruth Gogoll, einen eigenen Verlag zu gründen und «Taxi nach Paris» einfach mal zu drucken. Und in der Tat, es verkaufte sich wie wild. Ist sie abends von der Arbeit nach Hause gekommen, sind die Faxblätter nur so rumgelegen, der Anrufbeantworter hat verzweifelt geblinkt, Ruth Gogoll bis drei Uhr früh Bücher eingepackt, sie morgens zur Post gebracht, ist arbeiten gegangen . . . und das nur bei diesem einen Buch. Daraufhin hat sie nochmals eine Offensive gestartet und glücklicherweise im Konkursbuch Verlag einen Partner gefunden.

«Als Verlegerin ist es nun auch meine Aufgabe, Texte anderer Autorinnen zu lesen, ihnen Tipps zu geben, für sie dazusein. Das ist sehr aufwendig. Ich arbeite immer, aber mein grösstes Problem ist sowieso, wenn ich keine Arbeit habe. Entweder mache ich Verlagsarbeit, schreibe oder arbeite als Organisationsberaterin in Basel. Wenn ich ein Buch mache, sollte ich ja eigentlich gar nichts anderes tun.»

Ruth Gogoll möchte zeigen, dass eine lesbische Geschichte einfach eine Beziehungsgeschichte ist. Dass es – wie in Literatur und Film so oft gesehen – keine Garantie auf einen unglücklichen Ausgang bei Geschichten über und von Lesben gibt.

«Nehmen wir diesen neuen Film mit Catherine Deneuve, ‹Les voleurs›. Unmöglich. Es ist typisch. Die einzige lesbische Figur im Film bringt sich um, weil sie die junge Frau nicht kriegt. Was soll das? Der Mann kriegt die junge Frau auch nicht, der bringt sich aber nicht um, natürlich nicht. Aber die lesbische Professorin, die bringt sich natürlich um, weil sie ohne die junge Frau nicht leben kann. Das ist einfach ein Bild, das uns nicht mehr entspricht.»

Trotzdem gibt Ruth Gogoll zu, dass es schwierig ist, in einer Gesellschaft nicht anerkannt zu werden, ist jedoch der Meinung, dass dies oft ein Problem der Betroffenen selbst ist. Gemäss ihrer Erfahrung sind die meisten Leute heutzutage relativ offen und haben auch kein Problem, wenn die Lesbe selbst offen damit umgeht. Es werde nur dann kompliziert, wenn wir uns selbst verstecken und wahnsinnig viel Energie darin investieren, dieses Versteckspiel zu treiben.

«Eine lesbische Beziehung ist mindestens ebenso vielschichtig wie eine heterosexuelle. Und es muss rüberkommen, dass Sex dabei nicht nur aus Kuscheln besteht. Sex beschreiben an sich hat mit Pornographie nichts zu tun. Wenn die Frauen mit liebevollem Blick betrachtet werden, wenn ihre Beziehung wichtig ist, dann kann noch soviel Sex vorkommen, es wird nie Pornographie. Das ist genau das, was auch am meisten von mir selbst in ‹Taxi nach Paris› hervorkommt. Das Buch ist in keiner Weise autobiographisch, es ist meine Erfindung, meine Phantasie. Aber natürlich stecke ich trotzdem drin, und die Gefühle sind ganz, ganz echt von mir. Es ist sehr wichtig für mich, dass Frauen füreinander da sind, dass sie sich auch bei Schwierigkeiten lieben und diese überwinden. Wenn ich eine Frau liebe, dann tu’ ich alles für sie.»

Mit Ruth Gogoll traf sich
Annemarie Nussbaumer