War sie jetzt unzivilisiert, weil sie es trotzdem vier Jahre lang getan hatte? fragte Mariana sich. In Kalifornien zu leben, in der Nähe von Los Angeles?

Sie begab sich in die geforderte Tanzposition, versuchte aber, ihren Körper auf so viel Abstand wie möglich von Guy zu halten. Tänze wie Walzer oder Foxtrott erforderten dankenswerterweise keine Kuschelbluesnähe.

»Es scheint immer die Sonne«, erwiderte sie.

Das Wetter konnte schließlich niemand unzivilisiert nennen. Außerdem wollte sie mit Guy keine anderen Themen ansprechen.

Auch deshalb war das Wetter in solchen Situationen stets eine gute Wahl. Wenn man sich mit jemandem unterhalten musste, mit dem man sich gar nicht unterhalten wollte.

Glücklicherweise wurde jede weitere Unterhaltung dann jedoch dadurch unterbunden, dass die Musik einsetzte. Ein Walzer. Nun ja. Da konnte man schön Abstand halten, und das war Mariana gerade recht. Alles, was sie berührte, war Guys frackbewehrte Schulter und seine Hand. Wobei sie beide Handschuhe trugen.

Selbstverständlich konnte man sich auch bei einem Walzer unterhalten, aber vielleicht, so hoffte Mariana, musste Guy sich so auf die Schritte konzentrieren, dass er gar nicht darauf kam.

Leider war er jedoch ein sehr guter Tänzer. Er führte Mariana durch den ganzen Raum, als würden sie an einem Tanzturnier teilnehmen. Die anderen Gäste standen nur um die Tanzfläche herum und sahen zu, denn dieser Tanz gehörte allein Guy. Und Mariana. Aber das war nicht so ganz eindeutig.

Schon nach wenigen Schritten nickte Mariana den Umstehenden zu und forderte sie mit einer Handbewegung dazu auf mitzutanzen. Denn hier allein mit Guy wie auf einem Silbertablett präsentiert zu werden, das war ihr höchst unangenehm.

Dankenswerterweise nahmen einige ihren Hinweis auf, betraten die Tanzfläche und schlossen sich dem Walzer an. In der Mitte ließen sie jedoch höflich Platz für den Gewinner der Auktion und seine unfreiwillige Trophäe. Wie bei einem Hochzeitstanz.

Als Mariana kurz zur Bühne hinüberblickte, verfestigte sich dieser Eindruck noch. Ihre Mutter betrachtete Guy Forbes mit einem stolzen und besitzergreifenden Blick wie ihren zukünftigen Schwiegersohn. Sie wäre ganz sicher sehr damit einverstanden gewesen, wenn Mariana ihn geheiratet hätte.

Dass er ein höchst unangenehmer, eingebildeter und arroganter Mensch war, spielte dabei keine Rolle. Nur seine Herkunft und sein Prestige. Und zu einem gewissen Teil auch sein Geld, obwohl die Bradlee Fultons davon wahrlich genug hatten. Aber für reiche Leute war genug nie genug. Sie konnten immer noch mehr gebrauchen.

War das vielleicht der eigentliche Anlass für diesen Ball? fragte Mariana sich auf einmal. Sollte sie hier im wahrsten Sinne des Wortes verschachert werden? Nicht nur für einen einzigen Tanz für eine Wohltätigkeitsauktion?

Ein Schreck durchfuhr sie. Daran hatte sie noch gar nicht gedacht. Obwohl sie ihre Mutter ja kannte. Wieder wanderte ihr Blick zu Amanda Bradlee Fulton hinüber. Sie stand immer noch auf der Bühne. Mit einem äußerst selbstzufriedenen Gesichtsausdruck. Die Gesichter von Onkel Adam und Tante Abigail neben ihr erschienen dadurch noch säuerlicher. Sie waren offenbar nicht so begeistert von Marianas Tanzpartner.

Aber sie konnten ja auch nichts durch eine Heirat von Mariana und Guy Forbes gewinnen. Sie waren nur Anhängsel, die davon nicht profitierten. Und das war das Einzige, woran ihnen etwas lag.

Eine Heirat. Eine Heirat! Nein! Entsetzen ergriff Mariana. Sie schaute kurz auf Guys Gesicht, das leicht von ihr abgewandt war, weil er über ihre Schulter blickte, um sie sicher durch den Saal zu führen. Dieses Gesicht jeden Tag sehen zu müssen, vielleicht sogar jeden Morgen beim Aufstehen . . . Oh Gott! Das war eine schreckliche Vorstellung.

Aber es war ja nicht nur sein zugegeben ziemlich hübsches, etwas britisch langgezogenes Gesicht. Es war er. Seine ganze Art, sein Charakter, seine Persönlichkeit. Seine Gehässigkeit.

Denn das war seine Spezialität. Er trampelte gern auf Leuten herum, die schwächer waren als er. Die sich nicht wehren konnten. Das war schon in der Schule so gewesen.

Und immer hatten sich ihm dabei Leute angeschlossen, die ihn unterstützten. Leute wie Onkel Adam und Tante Abigail.

Auch wenn sie in Marianas Schulzeit natürlich nicht dabei gewesen waren. Aber in ihrer eigenen hatten sie sich bestimmt mit Begeisterung dem damaligen Guy Forbes angeschlossen, Guys Vater. Sie verhielten sich ihm gegenüber heute noch ziemlich unterwürfig.

Zwar wusste Mariana, dass es heutzutage nicht mehr so war wie früher, als Frauen wirklich noch verschachert wurden wie Vieh, Töchter irgendwelche alten Männer heiraten mussten, die ihre Väter oder Großväter hätten sein können, oder auch unerträgliche junge Männer wie Guy Forbes, nur weil das für die Familie von Vorteil war, aber das war kaum ein Trost.

Es zu tun war für sie keine Option, aber das bedeutete endlose Kämpfe mit ihrer Mutter und vielleicht auch noch mit anderen Familienmitgliedern, die sie sich gern erspart hätte. Denn das konnte äußerst unangenehm und nervenaufreibend werden. Davon hatte sie eigentlich in ihrem Leben schon genug gehabt.

»Du hast das Tanzen nicht verlernt«, sprach Guy sie nun wieder an. Allerdings nur mit einem flüchtigen Blick, als ob er sich mit ihr – genauso wie Mariana mit ihm – gar nicht unterhalten wollte. »Ich dachte, nach vier Jahren Studium kommst du mit Brille und diesen abtörnenden dicken Tretern zurück, die Studentinnen so tragen und mit denen sie mehr wie Babyelefanten herumstolpern als laufen.« Nun legte er leicht den Kopf schief, und sein Blick wurde gönnerhaft anerkennend. »Aber du hast dich erstaunlich gut gehalten, auch wenn du vier Jahre älter bist.« Tadelnd verzog er das Gesicht. Genau wie ihre Mutter. »Das ist natürlich bedauerlich, aber das kann man wohl nicht mehr ändern.« Sein Blick wanderte wieder über ihre nackte Schulter, doch er sah sie nicht mehr an, sprach nur noch ganz beiläufig mit ihr wie mit einem Bediensteten, dem er einen Auftrag erteilt. »Und was du im Studium gelernt hast, kannst du sicher schnell wieder vergessen. Eine intellektuelle Frau will ich nämlich nicht heiraten.«

Hab ich es doch gewusst. Mariana war so schockiert, dass sie nur die Lippen zusammenpressen konnte. Ob sie ihn überhaupt heiraten wollte, das fragte er sich gar nicht. Es ging nur um ihn. Wenn er das beschloss, hatte sie zu gehorchen. Wirklich genau wie ihre Mutter.

»Deine Mutter und ich haben schon über die Hochzeitsfeierlichkeiten gesprochen«, fuhr er fort. »Aber da macht ihr Frauen ja jetzt sicherlich allein weiter. Damit will ich nichts zu tun haben.« Er schien etwas verschnupft, dass Amanda Bradlee Fulton ihn anscheinend dazu gezwungen hatte, sich mit ihr darüber zu unterhalten.

Ja, bei den beiden war noch abzuwarten, wer am Schluss den Sieg davontrug. Sie waren sich so ähnlich, wollten beide nur ihren eigenen Kopf durchsetzen, und andere Menschen bedeuteten ihnen nichts, dass es sehr zweifelhaft war, ob es überhaupt einen Sieger geben würde.

Gerade öffnete Mariana den Mund, um ihm zu erwidern, dass er sich das mit der Hochzeit abschminken konnte, da ging von einer Sekunde auf die andere das Licht aus.

In den nächsten Sekunden hörte man spitze Schreie von Frauenstimmen, mehr oder weniger laut, und gleichzeitig verstummte die Kapelle abrupt. Es war stockdunkel im Saal, denn die Fenster waren mit dicken Samtvorhängen verhängt.

Im selben Moment, als die Kapelle verstummte, war Guy stehengeblieben und hatte Mariana losgelassen. Mit weit geöffneten Augen, die nichts sahen, starrte sie ratlos und abwartend vor sich hin.

Auf einmal hörte sie ein unterdrücktes »Umpf« vor sich, gefolgt von einem dumpfen Laut, als ob ein schwerer Gegenstand auf den Parkettboden fiele. Fast gleichzeitig streifte ein sanfter Luftzug ihren Nacken, als ob sich plötzlich eine Tür geöffnet hätte. Immer noch konnte sie nichts erkennen und horchte angespannt auf jedes Geräusch in der schwarzen Dunkelheit.

Kay Rivers: Diebe mit Liebe

1 »Hast du alles?« Während Mariana über ihr Bett gebeugt dastand, um ihren Koffer zu packen, wurde...
Sie stellte das Tablett auf dem niedrigen Tisch zwischen den Sesseln ab und verteilte die Sachen...
Dass sie ihre Mutter überhaupt dazu gebracht hatte, war schon fast so eine Art Wunder. Sie hatte...
Lachend schüttelte Mariana den Kopf. »In diesem Fall nicht. Ich habe mich in Pomona hauptsächlich...
»Noch mehr als bei Mrs. Dilling kann ich mir fast nicht vorstellen«, sagte Robyn. »Da sahen sie...
»Ist es nicht großartig?«, fragte sie jetzt, während sie Mariana ansah. Ihre Augen strahlten schon...
Fast wäre Mariana in Ohnmacht gefallen. Das war wieder typisch ihre Mutter! Ihr kein Wort zu sagen...
War sie jetzt unzivilisiert, weil sie es trotzdem vier Jahre lang getan hatte? fragte Mariana...
Das Ganze dauerte höchstens ein paar Minuten, dann war der Spuk vorbei. Das Licht ging wieder an....
»Aber . . . Aber . . . « Mariana stotterte ein wenig herum. »Das kann doch nicht sein. Hier kommt...
Auch das wäre schlimm für Mariana gewesen, aber sie hätte wenigstens eine Erklärung gehabt. So...
Jackie beispielsweise hätte Mariana natürlich jederzeit in ihrem Schlafzimmer empfangen können....